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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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Falten. Nach all den Aufregungen in den letzten vierundzwanzig Stunden – und vor allem nach den achtzehn Monaten, während denen ich so grässliche Schmerzen ausgestanden habe, ohne mir dessen bewusst zu werden, ist das eigentlich kein Wunder.
    Mir fällt ein, dass es Menschen gibt, deren Haar in einer Nacht schneeweiß wurde. Und ich erinnere mich an einen Satz von Marlat. Er hat zu Mireille gesagt, dass er nicht voraussehen könne, wie eine intravenöse Spritze sich in meinem Zustand auswirken würde. Und doch hat er mir eine gegeben.
    Aber im Grunde genommen ist das gar nicht so schlecht, denn auf diese Weise kann man mich nicht sofort identifizieren. Eine ausgezeichnete Tarnung.
    Das graue Haar steht mir gut. Mein Gesicht wirkt dadurch vertrauenerweckender. Das ist sehr günstig, denn es fällt mir immer schwerer, meinen wilden Blick unter Kontrolle zu halten.
    Der Arzt ist noch nicht zu sich gekommen, und ich beschließe, das Haus zu durchsuchen. Im ersten Stock befindet sich das Schlafzimmer. Ich werfe einen Blick in den Kleiderschrank.
    Fünf oder sechs Anzüge auf Bügeln. Obwohl der Mann in etwa meine Figur hat, passt mir nur ein rostbrauner Gabardine-Anzug.
    Jetzt ein Hemd. Ich wähle ein Batisthemd. Merkwürdige Verwandlung. Der Anzug ist mir ein wenig zu weit. Ich sehe aus wie nach einer Hungerkur.
    Schuhe brauche ich noch. Ich finde ein Paar, das mir passt. Braun und weiß. Ich habe wirklich verdammtes Glück. Dann nehme ich noch eine graue Krawatte.
    Etwas überrascht mich. Obwohl ich mich seit zwei Tagen nicht rasiert habe, ist mein Kinn ganz glatt. Auch das ist anormal.
    Ich gehe wieder hinunter. Als mich der Arzt, der inzwischen zu sich gekommen ist, sieht, macht er große Augen. Ich lache ihm ins Gesicht.
    »Ulkige Geschichte, was? Du kapierst bestimmt nichts.«
    »Seid ihr zu zweit?«
    »Nein. Ich bin allgegenwärtig, wie es so schön heißt. Aber zerbrich dir nicht den Kopf.«
     

     

Ich habe mir eine Zigarette angezündet, nehme einen Zug und frage ihn: »Hast du Geld hier?«
    »Nein.«
    Er sagt zwar nein, denkt aber dabei automatisch an den Sekretär in seinem Arbeitszimmer, und ich weiß Bescheid. Vor mir kann man nichts verbergen. »Schade«, sage ich lächelnd.
    Ohne weiteren Kommentar begebe ich mich in das Arbeitszimmer. Ein kleiner Sekretär aus kostbarem alten Holz. Ich nehme einen Brieföffner vom Schreibtisch und breche kurzerhand das Schloss auf.
    Die erste Schublade rechts. Nicht schlecht. Dreihunderttausend alte Francs und auf dem Banknotenbündel wie zum Schutz ein schwerer Revolver. Den kann ich ebenso gut gebrauchen wie das Geld. Ich stecke Waffe und Banknoten in meine Hosentaschen.
    Jetzt bin ich gerüstet. Allmählich ist ein Plan in mir gereift. Ich habe beschlossen, nach Marseille zu fahren, wo einer meiner Freunde im Hafenviertel ein Restaurant führt. Er wird mir gefälschte Papiere besorgen.
    Was Geld angeht, werde ich immer so viel haben, wie ich will. Ich brauche nur in ein Kasino zu gehen und Roulette zu spielen. Mit meinen neuen Fähigkeiten kann ich den Lauf der Kugel bestimmen. Ich werde immer gewinnen.
    Ich kehre in den Salon zurück und mustere den Arzt, der immer noch am Boden liegt.
    »Was soll ich jetzt mit dir tun?«
    Bei der ersten Gelegenheit wird er die Polizei alarmieren und meine Personenbeschreibung durchgeben. Das wäre zu dumm. Ich lächle zweideutig und ziehe den Revolver aus der Tasche.
    Der Arzt wird leichenblass und schreit entsetzt: »Sie werden mich doch nicht töten!«
    »Muss ich wohl.«
    Ich zögere nicht lange. Keinerlei Gewissensbisse. Menschliche Gefühle sind mir fremd geworden. Schließlich gehöre ich ja nun einer anderen Rasse an. Immer mehr ergreift diese Idee von mir Besitz.
    Ich drücke genau in dem Augenblick ab, als er einen markerschütternden Schrei ausstößt.
     

     
    Der Chevrolet ist gut in Schuss. An der Neuilly-Brücke halte ich an, um zu tanken. Ein gefährlicher Fehler, denn als ich dem Tankwart einen Zehntausend-Franc-Schein reiche, sagt dieser misstrauisch: »Aber das ist ja der Wagen von Dr. Vallon!«
    Ich fluche innerlich, verspüre jedoch keinerlei Angst. Gelassen antworte ich: »Er hat ihn mir geborgt. Ich bin sein Schwager.«
    »Wie?«
    Noch ein Fehler. Es werden immer mehr. So ein Glück, ausgerechnet auf einen Tankwart zu stoßen, der den Arzt kennt. Aber ich war auch wirklich unvorsichtig. Ich hätte erst nach Courbevoie tanken sollen.
    Das Gefühl, immer straflos auszugehen, verführt mich dazu,

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