0061 - Unser Mann kam aus Neapel
tragen. Ich war gerade dabei, ihn mir auf die Schulter zu laden, als einer der Kerle heran war und mir seinen Knüppel auf den Hinterkopf schlug. Er traf gut. Jedenfalls muss ich sofort zusammengebrochen sein.«
»Gib mir eine Zigarette«, knurrte ich.
Wir bedienten uns beide und rauchten. In einiger Entfernung standen die Fischer, sahen uns zu und trauten sich nicht heran.
»Sie hätten uns eigentlich auch helfen können«, brummte Phil.
»Was verlangst du?«, antwortete ich. »Wenn ein Mann wie Heyse schon keine Lust hat, sich ein wenig mit den Leuten anzulegen, die hier anscheinend das Heft in der Hand haben, wie sollen die Fischer dazu kommen. Die Kerle sind glatt imstande und bohren so einem Fischer das Boot an, dass es absäuft.«
Phil schüttelte vorsichtig seinen schmerzenden Kopf.
»Und das alles spielt sich in einer Stadt ab, in der es von Fremden wimmelt, die dann nach Hause kommen und sagen: Es war wundervoll in Neapel.«
»Das sagen unsere Farmer in Arkansas auch, wenn sie New York besucht haben. Der Fremde hat einfach mit dem Untergrund nichts zu tun. Er lebt eine Etage höher. Fremde von unserer Sorte freilich, die ihre Nase so tief hineinstecken, dürfen sich nicht wundern, wenn sie eins darauf bekommen.«
Phil warf seinen Zigarettenrest fort.
»Ich glaube, dein Gesicht bedarf dringend der Kühlung. Wollen wir versuchen, hochzukommen?«
Gegenseitig stellten wir uns auf die Beine, wankten zum Hafenausgang und bemühten uns um ein Taxi. Natürlich sahen uns die Leute verwundert an, aber sie waren diskret. Keiner belästigte uns. Nur ein Verkehrspolizist steuerte uns an, fragte uns etwas, aber er konnte kein Englisch.
Ich schob ihn sanft zur Seite und murmelte: »Wir kommen später bei euch vorbei.«
Wir erwischten ein Taxi und ließen uns in unser Hotel fahren. Auch der Portier blieb diskret. Er händigte uns den Schlüssel aus und fragte, ob wir Wünsche hätten. Bei sich dachte er wahrscheinlich, dass diese wilden Amerikaner sich die Nacht über in einer verrufenen Gegend herumgetrieben haben mochten, die ein anständiger Mensch nicht besucht.
Wir sagten ihm, er solle Tonio Vitelli auf unser Zimmer schicken.
***
Phil und ich lagen nebeneinander auf meinem Bett, Phil auf dem Bauch, ich auf dem Rücken. Phil hatte ein nasses Handtuch auf dem Hinterkopf, ich eines auf dem Gesicht. Tonio erneuerte abwechselnd bei uns beiden die Umschläge.
»Sie hätten die tausend Dollar bezahlen sollen, Mr. Cotton«, sagte er. »Vielleicht hätte der Hinker…«
»… dann in einem Gewissenskonflikt, ob er der Polizei für tausend Dollar oder seinem Kollegen Cavari für fünfhundert Dollar helfen soll, sich für die Polizei entschieden«, brummte ich unter meinem Handtuch hervor. »So streng sind hier die Bräuche.«
»Jedenfalls hatte er so einen doppelten Grund, Ihnen Cavari wieder abzujagen«, beharrte Tonio.
»Ich frage mich, warum sie sich begnügt haben, uns groggy zu schlagen, anstatt uns völlig zu erledigen. Wir waren doch so wehrlos wie ein Mensch auf dem Operationstisch.«
»Unnötig bringt auch der Hinker niemanden um«, antwortete Tonio. »Aber rechnen Sie nicht, dass er bei der nächsten Begegnung noch einmal so rücksichtsvoll ist. Er wird nicht gerne amerikanische Polizisten erledigen lassen, aber er wird sich auch nicht scheuen, wenn er es für notwendig hält.«
»Schöne Aussichten«, stöhnte Phil, dem Tonio eben ein neues nasses Handtuch auf den Hinterkopf klatschte. »Und wohin wird sich Cavari nun wenden, nachdem er uns in Neapel weiß.«
»Er wird bleiben«, antwortete Vitelli.
»Ich bliebe nicht«, sagte ich.
Tonio erneuerte meinen Umschlag. »Sie kennen die Verhältnisse nicht. Nur in Neapel kann Cavari weiterhin mit dem Schutz des Hinkers rechnen. In Rom schon würde er völlig allein dastehen, oder er geriete gar an die Konkurrenz, und das wäre noch schlimmer für ihn. Ich kann Ihnen sogar noch genauer sagen, wo Cavari sich aufhalten wird. Der Hinker ist in Neapel der Mann, der alle Geschäfte überwacht, die irgendetwas mit der See, bzw. mit der Küste zu tun haben. Infolgedessen ist seine Organisation längst der gesamten Küste und auf den Inseln am stärksten. Im Hinterland und in der eigentlichen Stadt sind andere die Herren. Ich rate Ihnen, suchen Sie Cavari an der Küste, falls Sie überhaupt noch Lust zum Suchen haben.«
Der letzte Satz verdiente einfach keine Antwort.
»Wie viel Quadratmeilen sind das?«, erkundigte sich Phil.
»Vielleicht zweihundert, die
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