0064 - Die Mühle der Toten
Garascon. Erzähle mir, was damals passiert ist, vor zweihundert Jahren. Warum hast du Selbstmord begangen? Wer oder was trieb dich dazu?«
Der Untote berichtete mit unbeholfenen Worten in altertümlichem Französisch. Trotzdem begriffen Zamorra und Bill Fleming, welche Tragödie sich damals abgespielt hatte. Armand Garascon hatte den Glauben an die Welt und die Menschheit verloren gehabt und war vollkommen verzweifelt gewesen.
Er erzählte von seinem freudlosen Leben. Als Kind schon war er wegen seines Buckels von den anderen Kindern verspottet und gehänselt worden. Seine Mutter starb früh. Sein Vater, der vor ihm Müller in Bresteville war, mochte seinen buckligen Sohn nicht.
Er empfand es als eine persönliche Beleidigung, daß gerade sein Junge als Mißgestalt auf die Welt gekommen war. Eine Beleidigung, für die er den Jungen verantwortlich machte, als könnte der etwas dazu. Der Alte trank, und Armand Garascon bekam mehr Prügel als gute Worte.
Er mußte schwer arbeiten wie ein Knecht. Eines Nachts, als Armand schon ein junger Mann war, fiel der Alte betrunken die Treppe hinunter und brach sich das Genick. So wurde Armand Garascon Müller in Bresteville.
Er war wohlhabend, reich sogar, aber er wurde verachtet. Schließlich heiratete er die bildschöne Yvette Gastoux, deren Vater bis über beide Ohren verschuldet war und dessen Hof versteigert werden sollte. Armand Garascon war zwei Jahre lang wie verzaubert.
Er las seiner schönen jungen Frau jeden Wunsch von den Augen ab. Er liebte sie mehr als alles andere auf der Welt. Dann kam das bittere Ende. Yvette brannte mit einem Mann namens Martin Defils durch, dem Oberknecht eines reichen Weingutbesitzers.
Armand Garascon erfuhr, daß sie ihn schon lange betrogen hatte.
Und nicht nur das, sie hatte ihn auch bestohlen, bei jeder Gelegenheit Geld auf die Seite geschafft und den Schmuck versetzt, den der bucklige Müller ihr schenkte.
Das Geld sollte es Yvette und ihrem Liebhaber ermöglichen, eine gemeinsame Existenz zu gründen. Man sah sie nie wieder in der Gegend.
Armand Garascon hatte den Schaden, und er brauchte für den Spott nicht zu sorgen. Alle lachten hinter seinem Rücken über ihn und verspotteten ihn mehr oder weniger offen. Der bucklige Müller geriet in einen immer kritischeren Zustand und drehte schließlich durch.
Er war nicht zurechnungsfähig, als er den Entschluß faßte, sich selbst zu töten und seine Seele dem Teufel zu geben, wenn der ihm half, sich an allen zu rächen. An Yvette, ihrem Liebhaber und den Einwohnern von Bresteville.
Luzifer hatte seinen Diener Beau Gunod geschickt. Der grausame Dämon trieb ein teuflisches Spiel mit dem buckligen Müller. Er machte aus Armand Garascons Rache eine Farce. Der Dämon sah eine Chance, in Bresteville seinen Terror zu starten, und er tat es.
Er ließ seinen satanischen Trieben freien Lauf und spielte mit Menschen wie mit Marionetten. Bei dieser Gelegenheit wollte er auch noch gleich den Geisterjäger und Dämonenbekämpfer Professor Zamorra erledigen, der auf einen Hilferuf des Bürgermeisters nach Bresteville kam.
Aber das war nicht so einfach, wie Beau Gunod es sich gedacht hatte.
Zamorra und Bill Fleming hörten die Geschichte des Untoten Armand Garascon. Sie wußten nun Bescheid. Aber noch hatten sie keinen Anhaltspunkt, wie Beau Gunods Zauber zu brechen und der Dämon zu vernichten war.
***
Zamorra sehnte sich nach frischer Luft. Ihm war speiübel von dem Gestank in der Leichenkammer. Aber er durfte keine Pause machen, sonst erwachte der Untote aus der Hypnose. Zamorra wußte nicht, ob es ihm noch einmal möglich war, ihm seinen Willen aufzuzwingen.
Bill Fleming stand mit gerunzelter Stirn in der Nähe der Tür.
»Willst du den Schrecken, der durch deinen Pakt mit dem Satan entstanden ist, Armand Garascon?« fragte Zamorra. »Antworte mir!«
»Nein«, stöhnte der Untote, »nein, nein, nein! Das wollte ich nie. Schon als der Dämon mit mir sprach, erwachte ich aus meiner Verblendung und wollte den Pakt rückgängig machen. Aber Beau Gunod und sein Herr Luzifer ließen es nicht zu. Gegen die Menschen, die heute in Bresteville leben, und gegen die Nachkommen von Martin Defils und meiner ungetreuen Frau Yvette habe ich keine Haßgefühle. Auch damals war mein Haß nur ein kurzer Wahn. Jetzt ist in mir alles ausgebrannt, leer und tot. Zweihundert Jahre habe ich im Gefängnis meines Sarges zubringen müssen. Jetzt muß ich Dinge tun, die mir im Innersten widerstreben, und ich
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