0066 - Todesgeister der Sahara
John Sinclair! Alle deine Waffen könnten versagen, wenn du in die Klauen der Todesgeister fällst oder wenn dich ihr Meister in seine Gewalt bekommt. Dieser Meister muß eine Ausgeburt des Satans sein! Lebt wohl, paßt auf euch auf!«
Sie wandte sich ab und wollte sich entfernen, doch ich hielt sie am Arm zurück. Zuletzt hatte sie nämlich nicht nur gut Englisch gesprochen, sondern sogar sehr schwierige Ausdrücke benutzt und sich gewählt ausgedrückt.
»Fatme!« Ich sah sie forschend an. »Wer sind Sie wirklich?«
Um ihren Mund erschien ein wehmütiges Lächeln. »Eine alte Bettlerin in den Gassen des Basars von Tunis. Lassen wir die Vergangenheit ruhen, John Sinclair. Sie war nur ein Traum. Aber wenn Sie nach England zurückkommen, denken Sie an mich!«
Diesmal ließ ich sie ungehindert gehen. Erst als sie zwischen zwei schmalen, hohen Häusern verschwunden war, zuckte ich zusammen.
»Ich habe mich nicht einmal bei ihr bedankt!« sagte ich betroffen zu Suko.
Mein chinesischer Begleiter hob die Schultern. »Ich glaube, sie hat alle unsere Gedanken gelesen«, meinte er. »Dieser Frau bleibt nichts verborgen.«
»Da hast du wahrscheinlich recht«, murmelte ich und wandte mich zu Alia um, die langsam wieder auf uns zukam.
Was sollte ich nur von dieser schönen und scheinbar so hilfsbereiten Frau halten?
Ich entschied mich blitzschnell. Wenn Alia tatsächlich eine Verbindung zu den Todesgeistern der Sahara hatte, konnte ich sie als Führerin benutzen.
Als Führerin zu den Todesgeistern und deren geheimnisvollem Meister!
***
Angst beschlich Jane Collins!
Das war ihr noch nie passiert. Sie befand sich mutterseelenallein in einer fremden Stadt. Das war nicht weiter schlimm. Bisher hatte sie sich überall durchgeschlagen. Sie war zäh.
Sie war entführt und freigelassen worden. Auch das konnte sie nicht sonderlich erschüttern. Es war nicht das erste Mal, daß sie mit Verbrechern oder Dienern des Satans zu tun hatte. Auch die Nachwirkungen des Betäubungsgases waren nicht mehr so schlimm.
Aber die menschenleeren Straßen, die dunklen Häuser und das Fehlen jeglichen Lebens zerrten an Janes Nerven. Kein Mensch war auf den Straßen unterwegs! Keine Autos fuhren vorbei. In den Häusern brannte kein Licht.
Wo hatten die Kidnapper sie abgesetzt? Sie lief zu einem Haus und betätigte den Klingelzug. Sie hörte auch das helle Klingeln, doch niemand öffnete.
Jane wirbelte herum. Sie hörte einen Automotor. Im nächsten Moment bog ein Taxi in die dunkle Straße ein.
Jane rief und lief winkend auf die Fahrbahn. Zu spät erkannte sie, daß der Wagen voll besetzt war. Trotzdem gab sie nicht auf. Sie mußte hier weg!
Das Taxi fuhr so dicht an ihr vorbei, daß sie erschrocken zurücksprang. Mit einem nicht gerade damenhaften Ausruf starrte sie dem Taxi hinterher. Ratlos sah sie sich um. In welche Richtung sollte sie gehen? Sie fand keine Anzeichen wo sie das Stadtzentrum suchen mußte.
Jane Collins machte sich aufs Geratewohl auf den Weg, wählte eine Straße und ging los. Zehn Minuten. Eine Viertelstunde. Nichts änderte sich am Straßenbild. Sie kam sich von Minute zu Minute verlorener vor.
Endlich konnte sie nicht mehr. Erschöpft ließ sie sich auf einen roh behauenen Stein neben der Straße sinken. Der Stein hatte genau so wenig in dieser Gegend zu suchen wie sie selbst, dachte Jane und schrak zusammen.
Wie aus dem Boden gewachsen stand eine alte Frau vor ihr, die sich tief gebückt hielt. Das Kopftuch gab ein von unzähligen Falten durchzogenes Gesicht frei. Die Frau grinste freundlich. Ihre Lippen entblößten den einzigen Zahn im Mund.
Jane überwand ihre Scheu. »Pardon, Madam, mais…«
»Kommen Sie mein Kind«, antwortete die alte Frau in Janes Muttersprache. »Kommen Sie!«
Sie humpelte voran, drang in eine schmale Passage zwischen den dunklen Häusern ein, sah sich nicht ein einziges Mal nach Jane um. Die Privatdetektivin zögerte einen Moment, doch dann sagte sie sich, daß es nicht schlimmer werden konnte. Außerdem flößte ihr die Unbekannte Vertrauen ein.
Sie lief hastig hinter der Frau her, die ärmlich wie eine Bettlerin gekleidet war.
Fünf Minuten später wußte Jane überhaupt nicht mehr, in welche Richtung sie ging. Die Bettlerin hatte sie kreuz und quer geführt. Plötzlich traten sie auf einen breiten Boulevard, auf dem der Verkehr in sechs Spuren flutete. An den Häusern hingen bunte Glühlampen. Auch quer über die Straße waren leuchtende Girlanden gespannt. Auf den
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