0069 - Im Halbraum lauert der Tod
er aufspringen und die Uhr zurückdrehen, weil er in der ersten Sekunde fest davon überzeugt war, daß jemand den Kalender falsch eingestellt hatte. Dann erinnerte er sich jedoch, daß er die Einstellung noch einmal überprüft hatte, bevor die Gazelle die DRUSUS verließ. In der Zwischenzeit hatte niemand mehr Gelegenheit gehabt, an der Uhr zu drehen. Was er sah, war richtig, wenn er sich auch nicht erklären konnte, wie es dazu gekommen war.
Der Kalender zeigte 15 Uhr 32. Das Datum war der 30. April 2042.
*
Der Aufprall war nicht halb so schlimm, wie Reginald Bull ihn sich vorgestellt hatte. Es gab einen kräftigen Bums, Bull fühlte sich wie von einem Dampfhammer in das Polster seines Sessels geschlagen, aber der Schmerz dauerte nur eine halbe Sekunde. Dann war alles vorbei. Reginald Bull erhob sich ächzend und schaute auf den Bildschirm! Das erste, was er sah, war, daß es draußen heller geworden war.
Er versuchte, sich zu erinnern, wie weit er hatte sehen können, als er den Bildschirm zum letztenmal beobachtete. Der Sichtkreis hatte gewiß nicht mehr als hundert Meter Durchmesser. Jetzt aber war er auf wenigstens einen Kilometer angewachsen. Erst jenseits dieser Grenze begannen die Umrisse in der Finsternis zu verschwinden. Der Himmel erstrahlte jetzt in intensivem, glühendem Rot.
Mike Tompetch war inzwischen ebenfalls aufgestanden. Er schien verwirrt, aber die Erkenntnis, daß nun endlich etwas geschehen war, was er verstand - und wenn es sich auch um einen höchst bedauerlichen Absturz handelte - hatte ihm offenbar seine frühere Sicherheit zum größten Teil wiedergegeben. Er sagte: „Wir könnten einen Aggregat-Check machen, Sir. Wenn wir wissen, was ausgefallen ist, bringen wir es vielleicht..."
„Sie sind ein schlauer Junge, Tompetch", unterbrach ihn Bull. „Ich habe während des Sturzes schon gecheckt. Sie werden es nicht glauben, aber jemand hat alle unsere Triebwerksenergie aus dem Generator gesogen wie ein Durstiger das Wasser aus einem Schwamm. Um bei dem Bild zu bleiben: Der Schwamm ist jetzt so trocken, daß man nicht einmal mit einer hydraulischen Presse noch einen Tropfen herausbrächte."
„Aber Antigrav und Schirmfeld ..."
„... sind noch in Ordnung, völlig richtig. Anscheinend handelt es sich dabei um Energieformen, die dem Sauger nicht bekommen. Ich weiß, was Sie meinen: Wir können umkoppeln und mit der Antigrav- oder der Schirmfeldenergie fliegen. Das ist genau das, was wir tun werden. Aber zuvor möchte ich mich noch ein wenig umsehen."
Tompetch deutete über die Schulter hinweg mit dem Daumen auf den Bildschirm. „Dort ... draußen?"
Bull nickte.
„Natürlich. Wir müssen verschiedenes herausfinden. Zum Beispiel: Wie funktioniert die Sprechfunkverbindung, wenn sich der Sender außerhalb, der Empfänger innerhalb des Bootes aufhält. Schließlich wird das Physiotron nicht zu mir hereinkommen. Früher oder später muß ich also sowieso hinaus."
Er überprüfte den Schutzanzug, den er trug. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er dem Druckhelm, der ihm bisher in der Art einer Kapuze schlaff auf dem Rücken gehangen hatte. Tompetch verfolgte seine Vorbereitungen mit Verwunderung.
„Ich dachte immer", sagte er unsicher, „Wanderer sei in bezug auf Gravitation, atmosphärische Zusammensetzung und Luftdruck eine gut verträgliche Welt. Befürchten Sie etwas Besonderes, Sir?"
„Allerdings", antwortete Bull. „Sie sehen, daß sich die Oberfläche im Zustand der Schrumpfung befindet.
Rechnen Sie sich selber aus, was mit dem Luftdruck passiert, wenn alle Luftmoleküle, die bisher in einem Kubikzentimeter steckten, auf einen Quader zusammengedrängt werden, der nur noch einen halben Kubikzentimeter groß ist."
„Meine Güte, daran hab ich gar nicht gedacht", gab Tompetch zu. „Dann müßte doch auch die Schwerkraft wachsen, nicht wahr?"
„Müßte", brummte Bull, „wenn sie nicht künstlich wäre. Der Herr von Wanderer macht sich seine Schwerkraft selbst. Das bißchen, das von der Masse des Planeten herrührt, kann vernachlässigt werden. Es kann sein, daß sich ein Effekt bemerkbar macht, aber der wird gering sein."
Mit einem entschlossenen Ruck streifte er sich den Helm über und wartete, bis er sich selbsttätig mit dem Halsansatz des Anzugs zusammengefügt hatte.
„Ich gehe jetzt", drang seine Stimme dumpf durch den Außenlautsprecher. „Setzen Sie sich an den Empfänger und passen Sie auf, wie gut Sie mich verstehen können, klar?"
Tompetch nickte.
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