0070 - Die Teufelsbraut
berührte er.
Der Chinese sollte nicht merken, daß sich während seiner Abwesenheit jemand in seinem Zimmer befunden hatte.
Carlos Lava trat ans Fenster. Mit einer raschen Handbewegung fegte er die Gardine zur Seite. Dann holte er die schwarzmagische Kreide aus der Tasche und setzte diese ans Glas.
Mit wenigen Strichen zeichnete er das Sigill – einen stilisierten Teufelskopf. Sobald das getan war, verließ Lava Sukos Zimmer wieder.
Nichts weiter mußte er mehr tun.
Alles andere würde wie von selbst passieren. Die Zauberkraft der schwarzmagischen Kreide in Verbindung mit dem Sigill würde eine vernichtende Wirkung erzielen.
Suko war jetzt schon so gut wie erledigt…
***
Der blonde Mann lag im Straßengraben. Den Papieren zufolge, die man bei ihm gefunden hatte, war sein Name Alf Lechenberg. Er stammte aus Deutschland, hatte aber eine brasilianische Arbeitserlaubnis.
Er sah genauso aus wie die Toten, von denen uns Orfeu Calamasse in seinem Büro Fotos gezeigt hatte.
Auch auf Lechenbergs Stirn war ein blutiges T zu sehen.
Verdammt, niemand wußte, was dieses T zu bedeuten hatte. Kommissar Calamasse winkte den Polizeiarzt Herbei.
»Wie lange ist der Mann schon tot?« fragte er.
»Nicht länger als eine Stunde«, antwortete der Arzt.
»Wer hat die Leiche gefunden?« fragte ich auf englisch, denn meine Portugiesischkenntnisse beschränken sich auf »Guten Tag« und »Hallo!«
Der Arzt wies auf einen großen, kräftigen Mann.
Calamasse holte ihn. Der Mann war Lastwagenfahrer. Er war auf dem Weg nach Rio gewesen, als er plötzlich im Straßengraben einen Menschen liegen gesehen hatte.
Er stoppte sofort, wollte helfen, aber da war nichts mehr zu tun. Calamasse erkundigte sich, ob der Mann irgendeine wichtige Wahrnehmung gemacht hatte. Der Fahrer verneinte. Calamasse entließ ihn mit einem mürrischen Kopfnicken.
Beamte durchstreiften das Dickicht, das an die Straße grenzte. Orfeu Calamasse wies auf sie und sagte grimmig: »Sie werden wieder nichts finden. Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren!« Sein Englisch war nicht berühmt, aber ich konnte ihn gut verstehen.
Ein roter Javelin hielt auf der gegenüberliegenden Fahrbahn. Aus dem Wagen stieg ein bildhübsches brünettes Mädchen. Eine strahlende Schönheit. Etwa einundzwanzig Jahre alt, elegant gekleidet und beachtlich gut entwickelt.
Sie hatte einen Fotoapparat bei sich.
Ich wies mit dem Kinn auf sie und fragte den Kommissar: »Kennen Sie die?«
»Ihr Vorname ist Zsa Zsa. Sie ist Ungarin. Arbeitet als Reporterin für irgendein ausländisches Käseblatt.«
Der in die Kamera eingebaute Blitz flammte einige Male auf. Zsa Zsa machte ihre Aufnahmen von dem Toten.
Niemand hinderte sie daran.
Nachdem die Ungarin genug geknipst hatte, kam sie auf uns zu. Ich schien ihr zu gefallen, denn sie blickte mir länger in die Augen als Suko und Calamasse. Der Kommissar begrüßte die Reporterin wie eine gute Bekannte.
Er machte Suko und mich mit ihr bekannt. Als sie hörte, daß ich vom Yard war und in diesem Fall mitzumischen gedachte, vervielfachte sich ihr Interesse für meine Person.
Es ergab sich irgendwie, daß Suko und Calamasse mich mit dem atemberaubenden Mädchen allein ließen.
»Haben Sie schon eine Idee, wie Sie die Sache anpacken wollen, Oberinspektor?« fragte die Reporterin. Ihr Englisch war fast lupenrein.
»Ehrlich gesagt, ich bin aus den Startlöchern noch nicht rausgekommen«, gab ich zu.
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Sie?« fragte ich verwundert. Mir fiel auf, daß sie bernsteinfarbene Augen hatte. Ihr Gesicht hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem einer Katze.
Zsa Zsa wies auf den Toten. Sie mußte einen harten Kern haben, denn der Anblick der Leiche schien sie nicht zu erschüttern.
»Ich weiß zum Beispiel, was dieses T zu bedeuten hat«, sagte die Reporterin zu meiner Verwunderung.
»Lassen Sie hören«, verlangte ich hastig.
»Es ist der Anfangsbuchstabe eines Namens.«
»Welchen Namens?«
»Tarantoga.«
»Noch nie gehört. Wer ist Tarantoga?«
»Er ist ein Dämon. Der Herrscher über das Böse in Rio. Möchten Sie mehr über Tarantoga erfahren?«
»Was für eine Frage? Selbstverständlich!«
»Mein Wagen steht dort drüben«, sagte Zsa Zsa. »Ich wohne nicht weit von hier. Ein Gespräch auf der Straße ist mir zu unbequem. Wenn Sie möchten, könnten wir zu mir nach Hause fahren und uns bei einem Drink über Tarantoga unterhalten.«
Sie wollte sich umdrehen und zu ihrem Wagen gehen. Ich hielt sie am Arm fest.
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