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0071 - Mit der letzten Kugel

0071 - Mit der letzten Kugel

Titel: 0071 - Mit der letzten Kugel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit der letzten Kugel
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Stunde unbedingt die Antwort haben. Verdammt, die Brüder in Washington sollen sich doch mal beeilen!«
    Ich knallte den Hörer meines Sprechfunkgerätes auf den Apparat zurück und schob beides ins Handschuhfach. Es tat mir selbst schon leid, dass ich mich unbeherrscht gezeigt hatte. In Washington schlief man garantiert nicht.
    Aber der ständig voranrückende Uhrzeiger auf meiner Armbanduhr machte mich halb wahnsinnig.
    ***
    Ich verfolgte Walt Freeman, als er sein Haus verließ.
    Der Stock des Blinden tappte vor mir über das Pflaster. Jedes Mal, wenn er die Straße überquerte, sicherte er mit lauschend vorgeneigtem Kopf nach rechts und dann nach links.
    In der Nähe der Delancey Parkway bog Freeman in eine schmale Seitenstraße. Ich huschte ihm nach. Plötzlich blieb Freeman vor einer Toreinfahrt stehen. Er wandte sich langsam um und ging hinein.
    Ich schlug meinen Jackenkragen hoch nach Art gewisser Jugendlicher und strolchte an der Einfahrt vorbei. Aus den Augenwinkeln warf ich einen Blick hinein. Freeman hatte sich in der Einfahrt mit einer Frau getroffen.
    Ich ging rasch vorbei, ließ meine Schritte weit genug verklingen und huschte zurück. An der Hauswand schob ich mich entlang, bis ich genau an der Ecke zur Einfahrt stand.
    »… bisher keine verdächtigen Kontakte aufgenommen. Jedenfalls keine, die ich hätte beobachten können«, sagte die Stimme Freemans gerade leise.
    Ich schluckte. Von wem war die Rede? Ich sollte keine Sekunde länger darüber im Zweifel bleiben, denn Freeman fuhr fort: »Harway scheint okay zu sein. Aber eines kommt mir seltsam vor: Heute Morgen und gestern auch schon ließ er fünf Flaschen Milch statt vier nehmen. Und es kamen auch fünf statt vier leere Flaschen zurück. Geradeso, als ob plötzlich noch eine Person mehr im Hause sei…«
    Mich durchlief es heiß und kalt. Al!, war mein erster Gedanke. Und der zweite: Da benimmt man sich behutsam und wagt sich selber nicht sehen zu lassen mit dem echten Gesicht, aus Angst, man könnte erkannt werden, und diese Idioten bestellen einfach eine Flasche Milch mehr beim Milchmann! Weil sie natürlich so wohlerzogen sind, dass sie dem G-man in ihrem Haüse das gleiche Frühstück bieten wollen, das sie selbst auch haben.
    Ich hätte am liebsten irgendetwas Blödsinniges getan. Aber gerade das durfte ich jetzt natürlich nicht. Ich hörte noch, wie Freeman sagte: »Morgen um die gleiche Zeit wieder. Ich warte hier, bis Sie zurückgegangen sind.«
    Ich wollte mich schon verdrücken, da hörte ich, dass sich die Schritte der Frau tiefer in die Einfahrt hinein verloren. Ich peilte vorsichtig um die Ecke.
    Da stand er. Der Blinde, der sogar sehen konnte, ob im Nachbarhause vier oder fünf Flaschen Milch vom Milchmann genommen wurden! Und irgendwo saß ein kleines Mädchen von drei Jahren und weinte und rief nach seiner Mutter. Und vielleicht hatte dieser saubere Kriegsblinde, der vermutlich nie in irgendeinem Krieg gewesen war, sich schon ausgedacht, wie er das Kind umbringen und die Leiche beseitigen würde.
    Ich zog mir das Jackett straff und ging in die Einfahrt hinein.
    »Mister Freeman?«, sagte ich, und meine Stimme klang heiser.
    Er wandte sich mir zu.
    »Ja?«
    »Lassen Sie das Theater«, sagte ich hart. »Sie sind nicht blind.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Wer sind Sie überhaupt?«
    »Ich bin Jerry Cotton. Nebenher heiße ich manchmal Lipes und spiele den Reporter. Ich habe Sie beobachtet. Einmal wurden Sie unauffällig gefilmt, als Sie eine Straße überquerten. Auf der gegenüberliegenden Seite bog eine Querstraße ab. Sie gingen genau auf die Bürgersteigecke zu. Den Stock hielten Sie in der rechten Hand und tasteten damit voraus, um den Beginn des Bürgersteiges zu finden. Aber Ihr Stock tastete rechts von Ihnen ins Leere, weil ja die Querstraße abbog. Trotzdem hoben Sie genau im richtigen Augenblick den Fuß, um die Bordsteinkante zu betreten! Da Ihr Stock die Bordsteinkante nicht ertastet hatte, mussten Sie sie doch wohl gesehen haben, nicht wahr? Und weiter: Ich ließ meinen Presseausweis bei Ihnen liegen. Aber ich tat es absichtlich und ich merkte mir genau, wie er lag! Als ich ihn wiederholte, lag er anders. Sie hatten ihn also gesehen, aufgehoben und angesehen und schließlich wieder an die gleiche Stelle zurückgelegt, nur eben nicht genau in der gleichen Lage! Ein Blinder, der einen Ausweis auf dem Teppich liegen sieht und Bordsteinkanten erkennt, die sein Stock nicht ertastet hat, muss doch sehr komisch blind sein,

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