0071 - Panik in der Geisterhöhle
»Der Turm!«
Er war so fasziniert von dem allgemeinen Untergang gewesen, daß er sich selbst und Nicole dabei vergessen hatte.
Sie befanden sich in höchster Gefahr.
Nicole und er selbst blieben zwar von der Rache des Zeus verschont, nicht aber der Turm, auf dem sie standen.
Das Bauwerk war ebenfalls im Begriff, sich aufzulösen.
»Runter hier!« schrie er und griff nach Nicoles Hand.
Nie in ihrem Leben waren sie so schnell eine Treppe hinuntergelaufen, eine Treppe, deren Stufen unter ihren Füßen zerbrachen.
Vielleicht hatte ihnen Zeus selbst geholfen, vielleicht auch Zamorras Amulett. Sie schafften es jedenfalls noch, unbeschadet nach unten zu kommen.
Und wenige Minuten später war alles vorbei. Die magischen Gefilde existierten nicht mehr. Alles war verschwunden – die Traumlandschaft, der künstliche Himmel, die Dämonenwesen selbst. Der Talkessel lag so da, wie ihn einst die Natur geschaffen hatte. Nichts deutete darauf hin, daß es jemals anders gewesen war.
Schweigend gingen Zamorra und Nicole in die Richtung, in der das Labyrinth gelegen hatte. In gewisser Weise hatten sie einen gewaltigen Sieg errungen: Es gab keine Dämonen mehr. Dies konnte jedoch nicht über ihre Niederlage hinwegtäuschen. Wie der Bann der Medusa zu brechen war, wußten sie noch immer nicht.
Sie erreichten das Labyrinth.
Es war noch immer da, nur in ganz anderer Form. Keine spiegelblanken Wände mehr, kein rötlicher Lichtschimmer. Nur verfallene, uralte Mauern. Das Magische des Irrgartens war vergangen. Geblieben war nur das von Menschenhand Geschaffene.
Als sie dann aber im Dorf ankamen, erwartete sie eine große Überraschung. Eine überaus freudige Überraschung.
Bill Fleming! Und Alexis Emwalomas!
Die Überraschung trübte die Wiedersehensfreude nicht. Ganz im Gegenteil.
Daß Bill Fleming und Alexis Emwalomas wieder zu normalen Menschen aus Fleisch und Blut geworden waren, hatte im Grunde genommen auf der Hand gelegen. Alles Magische, mit Ausnahme von Zamorras Amulett, das aus einer anderen Quelle gespeist wurde, war von Tilos gewichen. Also auch der Bann der Medusa. Und so hatten die beiden Männer ihre Freiheit wiederbekommen.
Natürlich interessierte es den Professor, wie Bill überhaupt nach Tilos gekommen war. Er stellte dem Freund eine entsprechende Frage.
Der Amerikaner antwortete: »Ganz einfach eigentlich. Ich hatte in den Palastruinen von Knossos eine bisher nicht ausgegrabene Tontafel entdeckt, deren Text ich entziffern konnte. Von einem ›Umzug der Götter‹ nach Tilos im Anschluß an die große Erdbebenkatastrophe war die Rede. Na ja, ich bin dann hierher gekommen. Die Dörfler wollten mich gleich wieder abschieben, aber ich habe mich heimlich davongeschlichen und bin über die Berge in den Kessel gestiegen. Die Ungeheuer sind mir dann leider ziemlich schnell auf die Spur gekommen. Es ist mir noch gelungen, aus dem Talkessel wieder rauszukommen, aber dann…«
»… konntest du dem Charme der reizenden Medusa nicht widerstehen«, vervollständigte Nicole lachend.
Jetzt, wo alles vorüber war, konnten sie über die Geschehnisse schon scherzen. Als ihr Blick jedoch auf Alexis Emwalomas fiel, wurden sie sofort wieder ernst.
Dem Fischer blieb letztlich nur die Genugtuung, daß die Dorfbewohner für ihre verbrecherische Unterstützung der Dämonenwesen zur Rechenschaft gezogen werden würden. Seine Tochter brachte ihm dies jedoch auch nicht zurück.
ENDE
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