0075 - Die Horror-Cops
hatten inzwischen schon einen ersten Eindruck von der South Bronx bekommen.
Schmutzige, leerstehende Häuserkästen, ein Straßengewirr mit aufgerissenem Pflaster. Armut, Dreck und Elend. Die Zeitungen, auch die europäischen, übertrieben nicht, wenn sie Berichte aus der South Bronx brachten.
»Hier möchte ich nicht mal als Leiche über dem Zaun hängen«, meinte Suko.
»Dann tut dir sowieso nichts mehr weh«, erwiderte ich.
»Auch wieder recht.«
Jetzt begann die Sucherei. Einen der Passanten zu fragen, wagten wir nicht. Wer sich in dieser Gegend nach einem Polizeirevier erkundigt, ist sowieso verdächtig.
Einmal wurden wir von einer Horde Rocker überholt. Für Sekunden kreisten sie uns mit ihren Maschinen ein. Sie schauten in den Wagen hinein, überlegten wohl, ob es sich lohnte, uns auszurauben, fuhren aber weiter.
Ich atmete auf.
Das Revier fanden wir eigentlich nur durch einen Zufall. Suko entdeckte das Backsteingebäude.
»Da ist es ja«, sagte er und deutete aus dem Fenster.
Ich zog den Honda auf die andere Straßenseite.
Vor dem Gebäude stand ein Streifenwagen. Er war heil, ein Wunder in dieser Gegend.
Ich hielt ebenfalls, schloß den Wagen ab und schaute mich um.
Etwas kam mir komisch vor. Die Straße war leer. Im Gegensatz zu den Parallelstraßen- und Gassen, in denen zahlreiche Müßiggänger, Penner und Bandenmitglieder herumhingen.
Ich machte Suko darauf aufmerksam.
Der Chinese nickte. »Scheint, daß wir schon eine heiße Spur gefunden haben.«
»Möglich.«
Ob man unsere Ankunft bereits bemerkt hatte, konnte ich nicht sagen. Vor den Fenstern des Reviers hingen Stahlrollos. Auch eine Sicherheitsmaßnahme.
Zusätzlich war die Tür verschlossen.
Ich fand aber eine Klingel unter den Rillen eines Lautsprechers, drückte den Knopf und meldete unsere Ankunft.
»Wir haben Sie bereits erwartet«, quälte es zurück.
Wunderbar.
Ein Summer ertönte, und ich konnte die Tür aufdrücken.
Der Gang dahinter war düster. Links ging es in den eigentlichen Revierraum.
Ich trat ein.
Suko befand sich hinter mir. Seine und meine Blicke glitten über die gefliesten Wände, die alten Holzschreibtische, den Zellentrakt für die Untersuchungsgefangenen, und sie saugten sich schließlich an den drei Polizisten fest, die den Raum besetzt hielten.
Ein Sergeant erhob sich von seinem Stuhl.
»John Sinclair, ein Kollege vom Yard, wenn ich mich nicht irre«, sagte er.
»Sie haben recht, Sergeant.«
Er reichte mir die Rechte. »Ich heiße Sie willkommen.«
Das mußte der Mann sein, von dem mir Laurie Ball berichtet hatte. Seine Tränensäcke stachen tatsächlich sofort ins Auge. Die Haut schimmerte rötlich, war großporig, der Mund wirkte wie ein roter flachliegender Halbmond, und von der Statur her brachte er mehr auf die Waage als ich.
»Mein Name ist Tucker«, stellte er sich vor. Er machte eine Handbewegung und deutete auf seine an den Schreibtischen sitzenden Kollegen. »Der Schwarzhaarige dort ist Tino Ricci, und der Mann mit der Stoppelbürste heißt Vance Harper.«
Ricci und Harper hoben die Hände zum Gruß.
Ich erklärte, wer Suko war und fragte dann nach Corporal Onedin. »Der ist noch nicht hier«, meinte der Sergeant.
»Wieso?«
»Er wird wohl krank sein.«
Ich ging ein paar Schritte vor und ließ die Barriere hinter mir. »Haben Sie denn nicht angerufen?«
»Das wollte ich gerade, aber da kamen Sie herein.«
Meine Sorge wuchs, aber auch mein Mißtrauen. Dieses Polizeirevier gefiel mir nicht, wenn ich ehrlich war. Normalerweise ist man von einem New Yorker Revier Hektik und Action gewohnt. Hier war es ruhig. Und das in der South Bronx!
Tino Ricci und Vance Harper, beide Corporale, widmeten sich wieder ihrer Arbeit. Sie schrieben Protokolle. Im Ein-Finger-Suchsystem. Um Suko und mich kümmerten sie sich nicht.
Ich warf dem Chinesen einen Blick zu, der mein Mißtrauen und meine Verwunderung ausdrückte.
Suko hob nur die Schultern.
Auch er schien es komisch zu finden. Dieses Revier war ihm und mir nicht ganz geheuer. Ich beschloß, noch mehr auf der Hut zu sein als zuvor.
Sergeant Tucker hielt den Telefonhörer gegen sein rechtes Ohr gepreßt. Er sprach nur einsilbig. Über ein Ja und ein Nein ging seine Konversation kaum heraus.
Ich blieb im Hintergrund. Als er auflegte, zeigte sein Gesicht einen verstörten Ausdruck.
»Was ist geschehen?« fragte ich.
»Ich sprach mit Sarah Onedin. Sie sagte mir, daß ihr Mann pünktlich zur Arbeit gegangen wäre.«
»Dann ist ihm
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