0077 - Die teuflischen Puppen
ist?« fragte der Ire. »Habt ihr es euch überlegt?«
»Ja«, antwortete Jane Collins und griff an. Sie tat genau das, womit keiner der Kerle gerechnet hatte.
Jane ging einen Schritt vor soviel Platz hatte sie gerade noch –, winkelte den rechten Arm an und riß ihn dann gedankenschnell hoch.
Der Ellbogen knallte gegen die ungedeckte Kinnspitze des Iren. Jane hatte diesen Schlag oft im Karatetraining geübt, und der Ire bekam das Ergebnis voll zu spüren.
Er riß den Mund auf, billiger Gin-Atem streifte Janes Gesicht, und torkelte dann zurück. Seine Augen wurden schon leicht glasig. Die Detektivin mußte einen neuralgischen Punkt bei dem Gin-Gurgler getroffen haben.
Doch der Farbige geriet in Wut.
Aber Shao war auch nicht untätig geblieben. Sie hatte ihren Schuh ausgezogen, hielt ihn vorn an der Spitze umklammert und vollführte einen Rundschlag.
Dieser kam dem des Totschlägers zuvor.
Der Absatz bohrte sich in die rechte Schulter des Farbigen und jagte den Schmerz bis hinunter in die Fingerspitzen. Sofort ließ der Kerl den Totschläger fallen.
Und Shao blieb weiter am Mann. Sie gab dem Burschen einen Stoß, daß er in den Flur fiel und zu Boden krachte.
Der Ire hatte sich inzwischen einigermaßen erholt. Er knurrte böse und holte tief Luft.
Jane Collins war klar, daß sie den Kerl erst gar nicht zur Entfaltung kommen lassen durfte, und deshalb drehte sie sofort voll auf. Diesmal kämpfte sie mit den Füßen.
Die Tritte kamen schnell und präzise.
Der Kopf des Iren wurde in den Nacken gerissen, dann säbelte Jane ihm das Standbein weg, und als der Kerl auf den Hosenboden krachte, machte Jane mit einem Wohldosierten Handkantenschlag alles klar.
Der Gin-Gurgler wurde bewußtlos.
Und der Farbige?
Er flüchtete.
Shao war auch nicht zu halten gewesen, so daß dem Knaben nur diese einzige Chance blieb. Die Hände hatte er schützend über seinen Kopf gelegt. Er rannte, so schnell ihn seine Beine tragen konnten, auf die Hinterhofseite zu.
Shao wollte sich an die Verfolgung machen, doch Jane schüttelte den Kopf.
»Laß ihn, Shao.«
Die Chinesin blieb stehen.
Jane rechnete damit, daß die anderen Zuschauer jetzt eingreifen würden.
Sie griffen auch ein. Allerdings nicht so, wie Jane es sich vorgestellt hatte.
Die Menschen klatschten Beifall.
Ungläubig schauten sich die beiden Frauen an. Dann lächelten sie, und ein alter Mann kam auf sie zu. Er sagte: »Diese Abreibung haben wir den Kerlen alle gegönnt. Wir danken Ihnen, Ladies.«
Jane trat vor. Sie lächelte. »Warum sagen Sie das, Mister?«
»Die Männer haben uns terrorisiert. Sie fühlten sich als die Könige der drei Häuser. Nun, wir waren zu schwach. Jetzt sind wir es nicht mehr.« Er spie auf den bewußtlosen Iren. Die Detektivin nutzte die Gunst der Stunde aus. »Können Sie uns helfen?« fragte sie.
»Vielleicht.« Der Mann kam näher. Er trug ein zerschlissenes Jackett. Es stand offen. Die ausgebeulte Hose wurde von zwei knallroten Trägern gehalten.
»In diesem Haus hat doch ein Gilbert Cress gewohnt?« fragte Jane Collins.
Das Gesicht des Alten produzierte noch ein paar Falten mehr, als er lächelte. »Cress wohnt hier noch.«
»Nein.« Jane schüttelte den Kopf. »Er ist tot.«
Der Alte senkte den Blick. Er schaute zu Boden. Eine andere Reaktion zeigte er nicht.
»Er wurde ermordet«, erklärte Jane.
»Ja?« Der Alte hob den Kopf. Seine kleinen Augen blickten Jane forschend an. »Da Sie wissen, daß Cress tot ist, möchten Sie sicherlich seine Wohnung sehen?« vermutete er.
»Es stimmt.«
Der Alte deutete auf die Treppe. »Folgen Sie mir, ich habe einen zweiten Schlüssel.« Er lächelte. »Ich spiele so etwas wie den Hausmeister. Schade um Gilbert. Er war ein feiner Kerl. Aber es mußte eines Tages so kommen.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Jane.
Vor der ersten Stufe blieb der Alte stehen und drehte sich um. »Sie werden es sehen wenn Sie die Wohnung betreten. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.«
Die anderen Hausbewohner hatten sich nicht in das Gespräch eingemischt. Es war seltsam still in dem Haus geworden. Nur von draußen war das Lärmen der Kinder zu vernehmen.
Jane und Shao stiegen hinter dem Alten die Treppe hoch. Das Holz der Stufen ächzte und knarrte. Auch das Geländer verdiente den Namen kaum noch. Die Stützpfosten, die den Handlauf hielten, konnte man an einer Hand abzählen.
Sie mußten hoch bis in den zweiten Stock.
Dort blieb der Führer vor einer mit grauer Lackfarbe gestrichenen Tür stehen.
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