0077 - Die teuflischen Puppen
Er holte einen Schlüssel aus der Tasche, steckte ihn ins Schloß und runzelte die Stirn. »Nanu«, sagte er, »es ist offen.«
»War die Polizei schon hier?« fragte Jane.
»Nein, nicht daß ich wüßte.«
»Seien Sie vorsichtig«, flüsterte die Detektivin. Sie drückte den Alten zur Seite, zog ihre Astra und betrat als erste die Wohnung des Toten.
Der seltsame Geruch fiel ihr sofort auf. Er bestand aus einer Mischung zwischen abgestandener Luft, Kräutern und irgendwelchen exotischen Düften.
Die Fenster wiesen zum Hof. Vorhänge bedeckten die Scheiben. Das Zimmer lag im Halbdunkel.
Während Shao und der Alte an der Tür stehenblieben, durchquerte die Detektivin mit vorsichtigen Schritten den Raum. Sie ging auf ein Fenster zu und zog mit einem Ruck den Vorhang zur Seite.
Licht flutete in das Zimmer.
Jane hatte sich sofort herumgedreht und blickte sich um.
Der Tote hatte nur einen Raum bewohnt, der mit einer wirklich ungewöhnlichen Einrichtung bestückt war.
Er schlief auf einem alten Sofa. Seine Kleider waren in einem wurmstichigen Schrank untergebracht, und der Tisch war auch nahe daran, seinen Geist aufzugeben. Am interessantesten jedoch fand Jane Collins die Truhe, die links neben dem Eingang stand. Über ihr war ein Regal an der Wand befestigt. Es führte an seiner rechten Seite bis zu einem Vorhang, der das letzte Drittel des Raumes abteilte.
Das Regal war nicht leer. Auf ihm standen einige makabre Gegenstände, bei deren Anblick Jane ein Schauer über den Rücken jagte.
Gilbert Cress hatte Schrumpfköpfe gesammelt.
Jane trat näher. Es kostete sie Überwindung. Sie zählte drei Köpfe. Schaurig waren sie anzusehen.
Strähnige weiße Haare hingen zu beiden Seiten des Schädels und flossen über die kaum zu erkennenden Ohren. Die lappigen Lippen waren geöffnet. Schwarzgelbe Zähne, die aussahen wie Hauer, bleckten die Detektivin an.
Drei Köpfe!
Woher hatte Cress sie? Hatte er sie selbst hergestellt? Hatte er sie geschenkt bekommen? Und was wollte er mit diesen Köpfen?
Jane Collins fiel auf, daß diese Schrumpfköpfe sich ungeheuer glichen. Die Gesichtszüge waren identisch, und als Jane näher trat, las sie den Namen, der mit roter Farbe an die Wand gemalt worden war.
SINISTRO
Wieder hatte sie eine Spur gefunden.
Befand sich der Magier etwa in der Nähe?
Jane schaute sich um, Shaos und ihr Blick begegneten sich. Die Chinesin zog die Schultern hoch, als würde sie frösteln. Auch ihr behagte die Atmosphäre in diesem Raum nicht.
Der Vorhang!
Janes Blick blieb darauf kleben!
Was deckte er ab? Was befand sich dahinter?
Bevor Jane ihn aufzog, fragte sie den Alten danach.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ich habe ihn nie aufgezogen gesehen.«
Jane zögerte noch. »Hat Cress auch nie mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Nein.«
»Was haben die Schrumpfköpfe zu bedeuten?« erkundigte sich die Detektivin.
»Er hat damit experimentiert.«
»Zu welchem Zweck?«
»Voodoo-Zauber«, lautete die Antwort. »Cress hat die Köpfe aus dem Urwald mitgebracht. Er suchte nach einer Ähnlichkeit. Er wollte, daß…« Der Alte stockte.
»Reden Sie weiter!« forderte Jane ihn auf.
»Er wollte einem Magier seinen Kopf zurückgeben. Cress erzählte mir einmal, daß es einen großen Magier namens Sinistro gäbe, der seit dreihundert Jahren auf der Suche nach seinem Kopf wäre. Und er würde den fürstlich belohnen, der ihm den Kopf zurückbrächte. Cress hat es versucht. Er war besessen von dem Gedanken, den Kopf zu finden. Und er glaubte fest daran, daß der Schädel des Magiers nicht zerstört worden war, sondern als Schrumpfkopf irgendwo im Urwald auf einem Pfahl steckte. Deshalb hat er die Reisen in seine Heimat unternommen. Er sparte jeden Cent. Er wollte mit aller Macht den Kopf bekommen, um endlich reich zu werden.«
»Ist der Kopf dabei?« fragte Jane.
Der Alte hob die Schultern. »Ich weiß es nicht.«
Die Detektivin biß sich auf die Lippen. Was sie gehört hatte, war neu für sie, das mußte sie erst verdauen.
Schrumpfköpfe, Puppen, die mordeten, ein geheimnisvoller Magier und dieses Zimmer hier.
Wo war der rote Faden?
Jane schaute wieder den Vorhang an. Welches Geheimnis verbarg sich dahinter?
»öffne ihn«, sagte Shao leise.
Jane nickte. Sie streckte den Arm aus. Fünf Finger ihrer rechten Hand krallten sich in den Stoff und rissen ihn zur Seite.
Die Ringe oben auf der Vorhangstange fuhren klirrend gegeneinander. Und in dieses Klirren mischte sich ein kaltes
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