0077 - Die teuflischen Puppen
röchelnder Atemzug dann brachen die Augen. Der Mann sackte wieder zurück.
Er war tot.
Shao aber blieb sitzen. Ihr Blick floß ins Leere. Sie sah die Leiche, sah sie aber trotzdem nicht. Sie hörte auch nicht die Stimmen der Kunden, sondern ihre Gedanken beschäftigten sich mit den letzten Worten des Toten.
Er hatte von Puppen gesprochen.
Von mordenden Puppen!
Aber wo? Hier im Kaufhaus? Das das war doch nicht drin. Puppen sind leblose Gegenstände, die können nicht töten. Aber wenn sie jemand mit einem unheilvollen Leben erfüllt hatte? Shao erinnerte sich an das Wort Voodoo.
Voodoo ein Totenzauber.
»He, Sie!« Shao spürte eine Hand auf ihrer Schulter. Der Druck war kräftig.
Die Chinesin drehte den Kopf.
Ein etwa dreißigjähriger Mann schaute ihr ins Gesicht. Der Knabe trug einen hellen Anzug, hatte dunkelblondes Haar, das die Ohren berührte, und einen Oberlippenbart, der ihm ziemlich gut stand.
Shao erhob sich. »Er ist tot«, sagte sie.
»Ja, ja.«
Die Chinesin schaute dem Mann ins Gesicht. »Mehr haben Sie nicht zu sagen, Mister?«
»Mein Name ist Clint Cassidy. Ich bin hier der Kaufhausdetektiv. Bitte, ich möchte kein Aufsehen. Dieser Mann…«
»Er ist tot«, wiederholte die Chinesin. »Und er ist hier ermordet worden. In diesem Kaufhaus und in dieser Abteilung.«
Cassidy nickte heftig. »Natürlich, ich weiß, aber…« Er schaute sich lauernd um. »Denken Sie an die Kunden. Wir können hier keinen Skandal brauchen. Es ist… Also Harrods hat ein Image.«
»Aber hier liegt ein Toter«, sagte Shao scharf. »Ein Mensch ist gestorben, und Sie reden nur vom Renommee.«
Der Detektiv schaute sich um und rang die Hände. »Sie müssen verstehen, Miß…«
»Sagen Sie Shao.«
»Gut, Miß Shao. Ein Toter bei Harrods. Es sind bei uns schon Kunden ohnmächtig geworden. Doch ein Mord nein, das darf einfach nicht passieren.«
»Aber es ist geschehen!« erwiderte Shao. »Und Sie müssen die Polizei verständigen.«
Der Kreis, der sich um die beiden Personen gebildet hatte, wurde von Minute zu Minute größer. Die Kunden lauschten dem Gespräch, wobei sie hin und wieder scheue Blicke auf den Toten warfen.
Zwei typische Abteilungsleiter gekleidet in dezentes Grau brachten eine Decke. Sie breiteten sie über die Leiche. Dann schauten sie Clint Cassidy fragend an.
Der Detektiv sagte: »Es hat einen Toten gegeben. Jemand ist ermordet worden. Die Lady hier«, er zeigte auf Shao, »hat den Toten zuerst gesehen. Wir müssen die Polizei verständigen.«
Die Gentlemen sahen aus, als würden sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.
»Auch das noch«, hauchte der Ältere der beiden. »In unserem Haus. Ein Skandal.«
Cassidy nickte.
Shao stieg die Galle hoch. Diese Ignoranz widerte sie an. Die Männer dachten nur an das Geschäft. Vielleicht mußten sie als Abteilungsleiter so reagieren.
»Ich benachrichtige die Polizei«, sagte der Ältere. Seinem Kollegen zischte er zu: »Beruhigen Sie die Kunden. Sorgen Sie dafür, daß sie verschwinden und weiterkaufen.«
»Natürlich.«
»Ein Skandal!« murmelte der Abteilungsleiter, als er verschwand.
Shao blieb zurück.
Zwei Sanitäter kamen, doch der Detektiv schickte sie wieder weg. Sie waren hier fehl am Platze.
Auch die Zuschauer gingen. Sie würden noch lange Gesprächsstoff haben.
Ein Mord bei Harrods.
Wann hatte es das schon einmal gegeben?
Cassidy wandte sich an die Chinesin. »Es ist Ihnen doch klar, daß Sie sich als Zeugin zur Verfügung halten müssen.«
»Natürlich.«
Bevor der Detektiv die nächste Frage stellte, druckste er herum. »Haben Sie den Mörder wirklich nicht gesehen?«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Nein, ich…«
»Dann werde ich Ihnen keine Auskunft geben, Was ich zu tun oder zu lassen habe, das regle ich selbst. Danke.«
Shao wandte sich ab. Sie mochte diesen Geschniegelten nicht, der sich wie ein Filmstar vorkam und sich zwar nicht für den Nabel der Welt, aber zumindest des Kaufhauses hielt.
Shao dachte noch immer über die letzten Worte des Sterbenden nach. Er hatte von Puppen und Voodoo gesprochen. Welche Puppen meinte er damit? Kinderpuppen, die hier in den Regalen zum Verkauf standen?
Eine andere Lösung sah Shao nicht, und deshalb wollte sie die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei nutzen. Von Cassidy unbeobachtet, wandte sie sich der Abteilung zu, in der die Puppen verkauft wurden.
Die Regale nahmen ganze Wände ein. Langsam schritt die Chinesin an ihnen entlang.
Sie sah große Puppen, kleine Puppen,
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