008 - Der schlafende König
Hälse. Vor ihnen ragte mitten in der Steppe eine Felsformation auf. Die Tuurka brachen in ein aufgeregtes Geschnatter aus. Nach kurzem Palaver wendete ihr Anführer seinen Frekkeuscher und trabte zu Achmaz zurück. Der Kaufmann blickte ihm gelassen entgegen und zupfte an seinem Bart. Doch seine Stirn hatte sich gerunzelt.
Der Anführer der Tuurka, ein schlanker junger Mann mit schwarzen Augen und seidigen Wimpern, der Machometh hieß, zügelte sein Reittier.
»Achmaz«, sagte er mit singender Stimme, »du bist ein guter Mann, auch wenn du diesen Weg gegen unseren Rat genommen hast.« Er räusperte sich. »Aber nun haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir nicht mehr weiter können.«
»Was soll das heißen?« fragte Achmaz und richtete sich im Sattel seines Frekkeuschers auf.
»Wollt ihr etwa meutern?«
Machometh wandte sich um und deutete auf die Felsformation, die sich vor ihnen aus dem Boden erhob.
»Dort drüben, hinter dem Hügel, wartet das Böse auf uns«, erwiderte er.
»Wenn wir weiterreiten, begeben wir uns in große Gefahr. Wenn wir jedoch umkehren und einen anderen Weg nehmen, haben wir nichts zu befürchten.«
»Und was genau«, fragte Achmaz gelassen, »ist das Böse?«
Der Tuurka zuckte die Achseln. Dass ihm die Worte nicht leicht über die Lippen gekommen waren, erkannte Matt an seiner Miene.
»Wir wissen es nicht«, sagte Machometh.
»Aber Brahim der Weise hat uns von einer Vision berichtet, die schon der Vater seines Vaters hatte. Er hat diese Felsen dort schon einmal gesehen.«
Brahim der Weise, so wusste Matt, war der Älteste Tuurka aus Machomeths Truppe, ein einäugiger Mann von etwa fünfzig Jahren. Die Tuurka behaupteten, er sei ein Seher und könne mit seinem toten Auge Dinge erblicken, die kein anderer sah.
Achmaz schaute zu den Felsen hinüber und seufzte.
»Ich weiß nicht, wie es bei euch üblich ist, mein lieber Machometh«, sagte er dann. »Aber wenn ich in den Schenken meiner Heimat erzähle, dass ich wegen der Vision eines Einäugigen umgekehrt bin, lacht man mich aus.«
Machometh zuckte mit keiner Wimper.
»Hast du mich verstanden, Machometh?« fragte Achmaz freundlich.
Matt hielt den Atem an. Wie würde der Tuurka reagieren? Sein Volk galt als mutig und Achmaz hatte es indirekt als feige bezeichnet.
Doch Machometh blieb ein Muster an Selbstbeherrschung. »Wenn es der Göttin Zuleyka gefällt, werden wir dennoch allen Gefahren trotzen.«
Achmaz lachte. »So gefällst du mir besser.« Er schaute sich um und musterte kurz den Silbermond. »Für heute haben wir genug geleistet. Ladet ab und schlagt ein Lager auf. Anschließend gehen wir zu den Felsen und schauen nach, ob sich hinter ihnen etwas Böses verbirgt.«
***
»Ganz schön steil«, sagte Achmaz nach einem prüfenden Blick auf das Gestein. »Klettern wir mal rauf.« Mit einer Flinkheit, die Matt ihm nicht zugetraut hatte, schwang er sich aus dem Sattel und sprang zu Boden. Matt, Aruula, Machometh und die restlichen Tuurka zückten ihre Waffen und folgten seinem Beispiel.
Der Aufstieg vollzog sich mühelos. Achmaz warf einen Blick auf den fünfhundert Meter entfernten Lagerplatz, an dem die Feuer brannten und die beiden Frauen die Mahlzeiten zubereiteten. Dann trieb er Machomeths Männer an. »Beeilt euch. Ich habe Hunger und will bald zurück sein.«
Machometh murmelte etwas. Matt, der den Hügel neben ihm erklomm, schaute ihn prüfend an. Obwohl Machometh seine Gefühle beherrschte, konnte er seine Angst nicht gänzlich verhüllen. Matts Neugier stieg von Meter zu Meter. Was konnte sie auf der anderen Seite der Felsen erwarten? Fürchteten sich die Tuurka wirklich nur vor abergläubischem Geschwätz?
Endlich erreichten sie den Gipfel.
»Es ist so dunkel, dass man nichts sieht«, sagte Achmaz und fluchte. »Gehen wir hinunter.«
Langsam nahmen sie den Abstieg in Angriff. Die Rückseite des Felsenhügels war weniger steil. Das Erdreich war locker und sandig. Rutschend erreichten sie schließlich ebenen Boden.
Achmaz ging in die Knie, fasste ins Erdreich und ließ es durch die Finger gleiten. »Hier muss irgendwo Wasser sein. Der Boden ist feucht.«
Machometh folgte seinem Beispiel. »Nein«, sagte er dann. »Es ist keine Bodenfeuchtigkeit. Es ist eher… Schleim.«
»Schleim?« fragte Achmaz. Er warf einen erneuten Blick auf seine Hand. »Ja, du hast Recht. Aber was hat ihn abgesondert?«
Matt dachte an seine Begegnung mit der Riesenschnecke in einem finsteren Stollen in Mailand. Er schüttelte sich
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