008 - Die Pest frass alle
die
Möglichkeit, noch wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu treffen.«
Dies galt der
Beruhigung der Bevölkerung. Den Verantwortlichen war klar, daß es bis zu dieser
Stunde noch keine Möglichkeit gab, etwas gegen die Seuche zu tun.
Man wollte
vor allen Dingen eines sicherstellen: Jeder sollte Selbstverantwortung zeigen
und sich sofort melden, wenn er an seinem Körper die geringste Veränderung
wahrnahm. Und als zweites wollte man unter allen Umständen eine Panik unter der
Bevölkerung vermeiden. Die Behörden von Tuba und die übergeordneten staatlichen
Stellen arbeiteten unter verzweifeltem Hochdruck, ohne daß dies an die
Öffentlichkeit drang. In der Bürgerschaft selbst wurde der Eindruck erweckt,
daß es sich um eine Art Grippeepidemie handelte, vor der sich jeder mit ein
wenig Vorsicht schützen könnte, ohne allerdings die Sache auf die leichte
Schulter zu nehmen.
Die
Bevölkerung, im Glauben etwas gegen die unbekannten Krankheitserreger tun zu
können, schützte sich zum Teil auch dagegen durch Mundtücher, die man umband
wie in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr.
Und niemand
sagte etwas dagegen, obwohl man an höherer Stelle genau wußte, daß solche
Vorsichtsmaßnahmen so gut wie nutzlos waren.
Der Wirt des
Lemmon-Restaurants tauchte an der Tür auf. Auch er trug eine Gesichtsmaske.
Trotz der allgemeinen Unsicherheit in Tuba ließen manche Einwohner doch nicht
davon ab, ihren Gewohnheiten nachzugehen, einen Drink zu nehmen, das Kino oder
Tanz-Cafe aufzusuchen. Viele glaubten nicht mal daran, daß eine besondere
Ausnahmesituation bestand.
Der Wirt
Gonzales, ein Mexikaner, der vor fünf Jahren das Restaurant gepachtet und einen
regen Zuspruch gewonnen hatte, war einer von jenen Menschen, die zwar
vorsichtig waren, aber keineswegs daran dachten, eventuell auch ein Opfer zu
werden. Die Gesichtsmaske, die er trug, war nur Ausdruck einer Höflichkeit, die
er seinen Gästen und seiner Familie gegenüber schuldig zu sein glaubte.
Schließlich kam er dauernd mit fremden Menschen zusammen. Und man konnte nie
wissen, ob man vielleicht doch nicht einen Keim fing und ihn weitertrug. Wenn
er auch selbst nicht daran glaubte, krank zu werden, so wollte er doch andere
vor einem eventuellen Schaden schützen.
Doch wie das
Schicksal manchmal so spielt...
Gonzales
wurde angesteckt, als er von einem Kranken das Glas entgegennahm. Er bemerkte,
daß irgend etwas mit seiner Hand nicht stimmte. Die Fingerkuppen fühlten sich
weich und samtig an, und er glaubte, daß die Haut sich langsam ablöste.
Gonzales
glaubte, in etwas Nasses gegriffen zu haben, er beachtete es zunächst nicht und
wischte seine Finger gedankenlos an der Hosennaht ab. Erst als die Beschwerden
über mehrere Minuten hinweg anhielten, warf er einen Blick auf seine Hände. Die
Fingerkuppen waren schwabbelig und grau, fühlten sich an wie eine gallertartige
Masse. Das Erschreckende daran war, daß dieser Hautschleim sich einfach und
schmerzlos abstreifen ließ!
Todesangst
spiegelte sich in den Augen des Mexikaners, als er die Haut wie einen
dickflüssigen Brei zwischen den sich verändernden Fingern verreiben konnte.
Klirrend
entfiel das Glas seinem Händen und zersplitterte auf dem steinernen Fußboden.
Wieder zeigte
sich der Krankheitsverlauf von einer anderen Seite. Was bei anderen Kranken Stunden
oder Tage dauern konnte, entwickelte sich beim Wirt in rasender Schnelligkeit.
Die vier
jungen Gäste draußen an den Tischen sprangen wie von Taranteln gestochen in die
Höhe, als sie sahen, was vorging.
Man kannte
die Symptome vom Hörensagen, und nun wurde man Augenzeuge.
Gonzales
taumelte an die Tür. Im Hintergrund des Restaurants sah man eine der
Serviererinnen an der Theke. Sie schien der Überzeugung zu sein, daß es ihrem
Chef nicht gutging. Mit raschen Schritten kam sie näher.
»Was ist,
Gonzales?« fragte sie besorgt. Sie war eine Mulattin von eigenwilligen Reiz.
Das tiefausgeschnittene Kleid gewährte einen verführerischen Blick auf ihre
wohlgeformte Brüste.
»Zurück!«
stieß Gonzales hinter dem Mundtuch hervor, und er riß sich den grauweißen
Fetzen vom Gesicht. Schweiß stand auf seiner Stirn. »Ich glaube - es hat mich
erwischt!«
Wie zur
Unterstreichung seiner Worte streckte er seine verbogenen, tropfenden Finger
aus, die wie eine Wachsmasse unter der Einwirkung hoher Temperaturen weich
wurden.
Die Serviererin
wich mit einem Aufschrei zurück.
Mit
schreckgeweiteten Augen starrte sie auf Gonzales, der das Stadium der
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