008 - Die Pest frass alle
Wunsch.« Mit diesen Worten schob Dorsay seinen Armstumpf
über den Rand der Liege. Ächzend stützte der Mann einen Körper nach, zog die
dicken, kurzen Elefantenbeine an und versuchte den wackelnden Kopf
hochzubringen. Larry sah nur die graue Kugel mit den Haaren vor sich
auftauchen.
Der Agent
drückte sich fest an die kühle, rohe Kellerwand. Aber er konnte dem
nachrückenden Armstumpf nicht völlig ausweichen.
Larry fühlte
die kalte Furcht in sich aufsteigen.
Er wußte
nicht, ob er schon infiziert war, und solange er sich noch normal fühlte,
wollte er alles tun, um einer unnötigen Gefahr aus dem Weg zu gehen.
Wie
elektrisiert schnellte sein rechter Fuß nach vorn. Er trat gegen den sich
vorarbeitenden Arm, und er hatte das Gefühl, in einen Komposthaufen zu treten.
Seine Schuhspitze versank in dem gallertartigen Fleisch.
Mit einem
schrillen Aufschrei warf der zuckende Leib sich zurück.
»Brent,
ich...« Das, was Dorsay weiter sagen wollte, ging unter in einem dumpfen
Gurgeln.
Im
Dämmerlicht hörte X-RAY-3 plötzlich das leise Klatschen, das sich anhörte, als
fielen große Tropfen von der feuchten Decke. Für den Bruchteil eines
Augenblicks hob Larry den Kopf und sah nach oben, als ihm schlagartig bewußt
wurde, was dieses Geräusch wirklich war.
»Dorsay?«
rief er leise. Mit einem Sprung war er von der Liege und landete genau neben
dem zuckenden, pulsierenden Schleimberg.
Dann sah
Brent die Bescherung. Es begann an der linken Schulter des Mörders.
Taubeneiergroße
Stücke lösten sich aus dem Gewerbeverbund, als risse jemand mit einem
unsichtbaren Haken das Fleisch auseinander. Aber es war schon kein Fleisch
mehr, das auf den Boden klatschte, es war ein schwerer Brei, der sich
verflüssigte und immer dünner wurde.
»Sie haben -
recht - Brent«, ächzte eine gequälte Stimme. »Stowe, dieser Teufel - Fox kein
Jota besser - alles also doch nur ein fauler Trick - aber sie sollen kein Glück
haben! Die Übergabe des Steins, Brent, erfolgte...«
Dorsays
Stimme wurde unendlich leise. Der Auflösungsprozeß machte rapide Fortschritte.
Die Hand verflüssigte sich, ein großer dunkler Fleck entstand auf dem Boden.
Dann wurde die breiige Schulter zu Wasser. Sie schmolz wie ein Eisblock unter
den Einwirkungen eines Heizofens.
Dorsays Kopf
wackelte schwabbelig hin und her. Der aufgedunsene Hals versackte in dem sich
auflösenden Körper.
»...Little
Stonefield... - Brent... ein Mann und eine Frau... sie hieß Muriel... kenne sie
nicht näher...« Ein fernes, verebbendes Wispern. Eine riesige Lache bildete
sich auf dem Boden. Dann drang kein Ton mehr an Larry Brents Ohr.
Die Pest
hatte das zweite Opfer geholt!
X-RAY-3
zögerte keinen Augenblick. Er schrie wie von Sinnen und sprang über die sich
aus gehenden Lache hinweg, konnte jedoch nicht verhindern, daß seine Schuhe
hineinklatschten. Die dünne Flüssigkeit spritzte an den Hosenbeinen empor.
Wie ein
Wahnsinniger schlug und trommelte Larry Brent gegen die massive Holztür und
donnerte mit der Faust schließlich gegen die kleine Scheibe in Augenhöhe, so
daß sie zersprang. Scherben klirrten auf dem Boden.
»Fox! Fox!«
X-RAY-3 schrie sich heiser, dann schwieg er, hielt den Atem an, und stellte
sich an die Wand, die im toten Winkel zur Tür lag.
Er wartete
ab. Es würde und es mußte etwas geschehen.
Und er irrte
sich nicht.
Ferne
Schritte wurden hörbar. Eine Tür klappte zu. Jemand kam die schmalen,
ausgetretenen Stufen herab.
Fox!
Jetzt waren
die Schritte ganz nahe.
Ein dunkler
Schatten tauchte vor dem Guckloch auf.
»Brent?«
fragte eine dumpfe Stimme. Es war Fox.
Doch Larry
antwortete nicht. Er preßte sich so eng an die kalte Kellerwand, als wolle er
mit ihr verschmelzen.
»Dorsay?«
Wieder Fox’ Stimme.
Doch auch
Dorsay antwortete nicht. Er konnte nicht mehr.
Fox schwieg.
Larry hatte schon die Befürchtung, daß der Mediziner einfach verschwinden
würde. Das hätte zur Folge gehabt, daß er mit Gewalt einen Ausbruchsversuch
starten mußte.
Eine halbe
Minute der Ungewißheit verging.
Dann fluchte
Fox leise vor sich hin. Aus den Augenwinkeln nahm Larry Brent war, daß der
Verbrecher sein Gesicht noch mal gegen das Loch preßte, in dem Reste der
zerschmetterten Scheibe saßen.
Offenbar
erwartete er, doch noch eine Spur von Dorsay oder zumindest von Larry Brent
wahrzunehmen. Aber das war nicht der Fall. Diese Tatsache mußte ihn irritieren,
seine Neugierde und sein Mißtrauen wecken.
»Können Sie
mich hören, Brent?« fragte
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