0081 - Der Sensenmann als Hochzeitsgast
wird er eine magische Sperre gelegt haben.« Ich stieß Suko an. »Komm, laß uns weitergehen.«
Nach ein paar Schritten blieb ich wieder stehen. Wir hatten jetzt eine bessere Perspektive, und beide sahen wir die Frau, die über einem am Boden liegenden Mann kniete.
Mir rann ein Schauer über den Rücken. Dieser Mann sah aus, als wäre er tot.
»Das ist ja die Wirtin«, flüsterte Suko.
Jetzt erkannte ich sie auch.
Himmel, was mochte da geschehen sein?
»Ich hole sie her«, sagte Suko.
Mein Partner brauchte sich nicht erst zu bemühen, denn Gisela Gehrmann richtete sich auf, schaute sich um, sah uns, zuckte erst zurück und rannte dann weinend auf uns zu.
Ich ging ihr entgegen und fing sie auf.
Sie schluchzte und jammerte. Ihre Worte konnte ich kaum verstehen. »Tot – tot – er ist tot…«
Ich wußte, daß sie damit ihren Mann meinte. »Wer hat ihn umgebracht?« wollte ich wissen.
Sie schaute mich aus tränenfeuchten Augen an. »Ich – ich weiß es nicht. Ich habe nur das Monster gesehen.«
»War es ein Skelett?«
»Ja.«
»Der Schwarze Tod«, flüsterte ich.
»Was haben Sie gesagt?«
»Schon gut, Frau Gehrmann.«
»Was machen wir jetzt mit ihr?« fragte Suko.
Die Lösung wußte ich. »Wir bringen sie zu den anderen.« Suko war einverstanden, und Gisela Gehrmann hatte im Augenblick keine Meinung.
Mit ihr ging ich ein paar Schritte zurück und winkte abermals Bill Conolly heran.
Der Reporter kam sofort.
Ich schob ihm Gisela Gehrmann hin. »Nehmt sie in eure Obhut«, sagte ich. »Ihr Mann ist tot. Er liegt neben dem Bus. Wahrscheinlich hat ihn der Schwarze Tod umgebracht.«
Bill Conolly stieß einen wilden Fluch aus. Er haßte diesen Dämon ebenso wie ich.
Wir warteten, bis der Reporter verschwunden war, und schritten dann auf den Bus zu. Dabei passierten wir den Granada.
Will Mallmann starrte vor sich hin. Unbewegt war sein Gesicht, obwohl er uns eigentlich hätte sehen müssen. Welche Gedanken verbargen sich wohl hinter seiner Stirn?
Hoffentlich machte er keinen Unsinn.
Will Mallmann hatte sich total verändert. Der Tod seiner Frau hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Und irgendwelche gefühlsbetonte Reaktionen waren durchaus verständlich. Aber ich wollte ihn nicht in sein Unglück laufen lassen. Unter Umständen würde ich ihn dann auch noch verlieren. Wer dem Schwarzen Tod gegenübertrat, der mußte kalt bis ins Mark sein und durfte sich nicht von Gefühlen leiten lassen.
Wir näherten uns dem Bus.
Das Kreuz hing jetzt frei vor meiner Brust. Es glänzte ebenso im schräg herabfallenden Sonnenlicht wie die Scheiben des Fahrzeugs, so daß ich nur schemenhaft die Kinder im Innern des Busses erkennen konnte.
Soviel ich sah, waren sie aufgestanden und preßten ihre Gesichter gegen die Scheiben.
»Willst du in den Bus?« fragte Suko.
»Ja.«
»Wäre es nicht besser, wenn wir uns vorher bewaffneten?«
»Nein, erst müssen die Kinder befreit werden.«
»Okay.«
»Da sind auch noch Lehrerinnen bei den Kindern.« Ich sah sie, als ich mich nur noch wenige Schritte von dem Fahrzeug entfernt befand und schon auf die Tür zuging.
Eine junge Lehrerin fiel mir besonders auf. Sie stand neben dem Fahrersitz, bewegte beide Hände über Kreuz und schüttelte dabei heftig den Kopf.
»Was hat die nur?« fragte Suko.
»Keine Ahnung«, erwiderte ich, ging weiter, behielt die Lehrperson jedoch im Auge.
Ihre Gesten wurden heftiger, wilder.
Verflixt, was meinte sie nur?
Ich sah ihr Gesicht. Es spiegelte die Angst wider, die sie empfand, und der Mund schrie irgend etwas.
Leider konnte ich nichts hören, geschweige denn verstehen.
Aber ich las von ihren Lippen ab, was sie meinte, und ich sah es an den Bewegungen.
»Nicht einsteigen. Nicht berühren!«
Der Chinese überholte mich und streckte schon seine rechte Hand nach dem Griff aus.
Im letzten Augenblick riß ich ihn zurück.
Verwundert schaute mich Suko an. »Was ist los? Ich dachte, die Kinder sollten befreit werden.«
»Ja, aber später. Dieser Bus ist eine magische Falle. Hast du nicht die Lehrerin beobachtet?«
Suko schüttelte den Kopf.
Einen halben Schritt vor der Tür blieb ich stehen. Die junge Lehrerin nickte mir zu, machte mir durch ein Zeichen klar, neben dem Bus zu warten.
Sie selbst verschwand. Als sie wieder an die Tür trat, hielt sie einen Zettel in der Hand und schrieb hastig ein paar Worte darauf. Danach hielt sie das Papier gegen die Scheibe.
Ich entzifferte den Text.
Ein Skelett hält uns im Bus
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