0081 - Der Sensenmann als Hochzeitsgast
näher. Schwankend, zögernd.
»Bleib da!« flüsterte Jutta. Sie wollte schreien, wußte jedoch, daß es keinen Sinn hatte.
Deshalb machte sie Zeichen. Jutta winkte mit beiden Händen, bedeutete der Frau, ins Haus zu gehen.
Gisela Gehrmann verstand sie nicht.
Jutta Mehnert aber zitterte um das Leben der Frau. Wenn sie in den Bus einsteigen wollte und die Tür berührte, was dann…? »Nicht!« schrie Jutta, und zwar so laut, daß die Kinder aufschreckten.
»Was ist, Fräulein Mehnert? Warum schreien Sie?« Die Kinder fragten durcheinander, doch Jutta gab ihnen keine Auskunft. Das Schicksal wollte es anders.
Gisela Gehrmann bewegte sich nicht auf direktem Weg zum Bus, sie ging erst um die flache Kühlerschnauze des Fahrzeugs herum. Und sie sah ihren Mann.
»Nein!« keuchte Jutta Mehnert. »Nein – Nicht…«
Sie drängte sich durch eine schmale Sitzreihe zum gegenüberliegenden Fenster, um die Frau besser sehen zu können. Gisela Gehrmann war stehengeblieben. Sie hatte ihre Arme hochgerissen und beide Hände gegen ihr Gesicht gepreßt.
Ein tiefes Schluchzen drang aus ihrer Kehle, so laut, daß es selbst die Kinder und die beiden Lehrerinnen hörten.
Die Wirtin ging zwei Schritte vor. Ihre Knie wurden weich, gaben nach, dann fiel sie über ihren Mann und preßte ihr Gesicht an seine Schulter. Ihr Rücken bebte unter den Schluchzwellen, die den Körper durchschüttelten.
Gisela Gehrmann traf das Grauen mit aller Wucht.
Die beiden Lehrerinnen konnten nur hoffen, daß der Schrecken irgendwann ein Ende haben würde…
***
Von der Seite pfiff die mörderische Sense auf mich zu. Ich sah den blutigen Halbkreis, den sie zog, und für mich gab es nur noch eine Rettung.
Ich ließ mich fallen.
Mit der Schulter prallte ich auf das Wagendach und breitete sofort die Beine aus, um einigermaßen Halt zu finden.
Die Klinge pfiff über mich hinweg.
Der Schwarze Tod lachte. Dieses Lachen bewies mir, daß er erst mit mir spielen wollte, um dann zuzuschlagen.
Ich hob den Kopf.
Wieder schwebte er über mir. Sein häßlicher schwarzer Schädel zeigte ein böses Grinsen, als er zum zweiten Schlag ausholte. Klar, daß er sich überlegen fühlte. Er hatte damit gerechnet, mich waffenlos anzutreffen.
Aber so leicht wollte ich es ihm nicht machen, denn ich hatte noch das Kreuz.
Es besaß eine ungeheure weißmagische Ausstrahlungskraft. Die vier Erzengel hatten ihre Zeichen hinterlassen, um den Mächten des Bösen zu trotzen.
Dieses Kruzifix hatte mich schon ein paarmal gerettet, und ich fragte mich, ob es auch jetzt helfen würde.
Ich riß das Kreuz hervor.
Gerade in dem Moment, als der Schwarze Tod zum zweiten Schlag ausgeholt hatte.
Er stoppte mitten in der Bewegung.
Das Kreuz in meiner Hand schien zu explodieren. Gleißende Lichtstrahlen schnitten durch die Luft, detonierten lautlos zu gewaltigen hellen Kränzen, die den Schwarzen Tod einhüllten. Sekundenlang bot sich meinen Augen ein grandioses Bild.
Ich sah meinen Erzfeind mitten in der Luft stehen.
Das Gesicht war verzerrt, die schwarzen Knochen zitterten, ein mörderischer Schrei drang aus seinem Rachen, dann war der Dämon verschwunden.
Er löste sich auf.
Die Macht des Guten hatte ihn vertrieben.
Verschwunden war auch der magische Sumpf. Unter dem Wagen befand sich wieder die normale Fahrbahn, und auch die Sperre existierte nicht mehr.
Meine Freunde konnten zu mir.
Puh, das war knapp gewesen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, glücklich darüber, daß der Schwarze Tod es nicht geschafft hatte.
Wieder einmal nicht.
Doch automatisch fragte ich mich, wann ich es mal schaffen würde. Wann konnte ich ihn besiegen? Das Kreuz war zu schwach, wie ich inzwischen festgestellt hatte, es konnte den Dämon nur vertreiben, was auf die Dauer gesehen nicht viel Sinn hatte, da der Schwarze Tod immer wieder zurückkehrte.
Ich hoffte nur, daß es mir innerhalb der nächsten Zeit gelingen würde, den Schwarzen Tod zu besiegen.
Aber endgültig.
Suko hatte mich als erster erreicht. Ich sprang vom Wagendach. Mein Partner schlug mir auf die Schulter. Er wollte zu einem Lob ansetzen, doch ich winkte ab.
»Später, Suko. Hilf mir erst einmal, Will wegzuschaffen.« Der Chinese packte mit an. Er legte seine Hände unter Wills Schultern, ich nahm die Beine des Kommissars.
Suko und ich trugen Will Mallmann an den Straßenrand und legten ihn dort nieder.
Bill Conolly war bei den Frauen geblieben. Er sprach auch mit Wills Kollegen.
»Es tut mir leid«, sagte er
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