0081 - Ich galt als Verräter
Sonntag: In Quierburrys Lagerschuppen im Hof stürzt die Decke ein und vernichtet 90 Prozent seiner Vorräte an Glas- und Porzellanwaren. Rein ,zufällig, so behauptet Quierburry, war er gerade im Lager. Prellungen, Schlüsselbein bruch und jede Menge Kratzer. Trotzdem keine Anzeige. Das Dach sei schon lange baufällig gewesen.« Der Sergeant klappte mit der linken Hand das Notizbuch zu, während er sich mit der rechten Hand empört auf den prallen Oberschenkel schlug.
»Dabei ist der Schuppen verdammt stabil gebaut und noch keine fünf Jahre alt!« brüllte er wütend.
Eine Weile herrschte Schweigen. Mr. High blickte uns an. Ich sah zu Phil, Phil sah zu mir. Wir nickten uns zu.
»Klarer Fall«, sagte ich. »In eurer Gegend hat sich eine Racket-Gang eingenistet und verseucht, die Geschäftsleute zu schröpfen. Ich denke, wir werden da mal ein bißchen hineinleuchten. Welche Straße, sagten Sie?«
»98. Straße Ost«, sagte der Sergeant, und auf einmal war seine Wut verflogen. »Wollen Sie sich gleich mal die Gegend ansehen?«
Ich blickte fragend zu Mr. High. Der dachte eine Weile nach, dann entschied er: »No, nicht jetzt. Erstens ist es noch viel zu ruhig, zweitens soll man Sie nicht unbedingt zusammen sehen, drittens können Sie sich erst einmal im Archiv umsehen, ob etwas darüber bekannt ist, daß eine Bande ihr Revier aufgegeben hat. Die müßte sich dann ja ein neues Betätigungsfeld suchen… Also…« Er ließ den Satz unvollendet. Dafür fügte er hinzu: »Ich denke, daß Sie gegen elf in die 98. Straße fahren sollten.«
So kam es, daß wir erst um Schlag elf die 98. Straße mit meinem Jaguar langsam abfuhren. Wir hatten schon über die Hälfte der Häuserblocks hinter uns, als mitten auf der Straße, im grellen Licht der Autoscheinwerfer, auf einmal das entsetzte Gesicht eines alten Mannes auftauchte.
Ich trat auf die Bremse, und die Reifen kreischten…
***
Roger Caldwell blieb stehen. Langsam glitt sein Blick in die Runde. Keine Bewegung seiner Miene zeigte an, was in ihm vorging.
Aus der Gruppe der jugendlichen Gangster löste sich die breitschultrige Gestalt des 20jährigen Bob Leavens und schob sich in betont lässigem Gang auf den Alten zu.
»Na, Opa«, raunzte der junge Verbrecher, »wie geht’s?«
Roger Caldwell blickte ihm furchtlos in die tückischen Augen.
»Wie es eben einem alten Mann geht«, erwiderte er mit fester Stimme. »Einem alten Mann, der den ganzen Tag über hart gearbeitet hat.«
»Uiih!« krähten die jungen Burschen. Und einer rief: »Übernimm dich nicht, Opa!«
Die anderen brachen in ein wieherndes Gelächter aus. Caldwell wunderte sich nicht darüber. Nur Dummheit ist imstande, alles lächerlich zu finden.
Er wandte sich dem Chef der Bande zu und fragte: »Wollt ihr was von mir?« Bob Leavers stemmte die Fäuste in die Hüften und hakte die Daumen hinter den Gürtel.
»Tja«, nickte er. »Das kann man mit einem Wort sagen, Opa, was wir wollen.« Caldwell strich sich verächtlich über seinen Kinnbart.
»Geld!« sagte er mit Abscheu in der Stimme.
Leavens schob die Unterlippe vor und nickte bedeutungsvoll.
»Sie sind ein ausgesprochen kluger Mann, Mr. Caldwell.«
»Das will ich meinen«, entgegnete der Alte. »Deshalb will ich euch den besten Rat geben, den man fürs Geldverdienen überhaupt kriegen kann: Jeder von euch arbeitet zehn bis zwölf Stunden am Tag, lebt sparsam und bescheiden, macht das 30 bis 50 Jahre lang — und ihr alle werdet wohlhabende Männer sein.«
Leavens riß den Mund auf, als hätte er soeben den ersten Marsmenschen reden hören. Daß ihnen überhaupt jemand diesen Rat zu geben wagte, den der Alte ausgesprochen üatte, hielten sie allein schon für ein kleines Weltwunder.
Bob Leavens fing sich als erster wieder. Er musterte den Alten von oben bis unten und brummte dabei: »Fühlen Sie 'sich ganz wohl, Mr. Caldwell?«
Wieder strich der Alte mit einer charakteristischen Geste über den Kinnbart.
»Ich bin müde, das sagte ich schon. Und nun Jungens, möchte ich ins Bett. Wenn ihr wieder mal meinen Rat braucht, bitte tagsüber. Ich bin nicht mehr der Jüngste.«
Er wollte an Bob Leavens vorbei.
Wie gesagt, er wollte.
Dieser Miniaturgangster fühlte sich stark, weil er genau wußte, daß der Alte kein Gegner war.
Caldwell taumelte, als ihn die Faust ins Gesicht traf. Er fiel gegen die Hauswand und dann sagte er so laut, daß es bis in den hintersten Winkel des Hofes zu verstehen war: »Ihr könnt mich jetzt totschlagen,
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