0087 - Die Schläfer der ISC
jeder Kammer war ein Deckel angebracht, der mit einem Schloß gesichert war. Mit einem Schuß aus der Pistole hätte er die Sicherung sprengen können, aber er hätte damit eventuell wieder die Männer angelockt.
Kennof untersuchte die Scharniere und stellte befriedigt fest, daß sie seiner Fingerfertigkeit nicht gewachsen waren. Mit Hilfe einiger Teile, die er von dem Deflektor löste, hob er den Deckel an.
Als er ihn zur Seite gezogen hatte, konnte er direkt in das Innere der Schlafkammer blicken. Unter ihm lag ein alter, schnauzbärtiger Mann mit einem Kahlkopf. Er bot ein Bild des Friedens. Kennof vermochte sich nicht richtig vorzustellen, was der Alte von einer Zukunft erwartete, die er sich für bares Geld gekauft hatte.
Als Kennof in die Kammer einstieg, erwartete er jeden Moment, daß ihr Insasse die Augen öffnen und mit strenger Stimme nach seinem Begehren fragen würde.
Das Zellplasma war angenehm temperiert. Kennofs Füße erreichten den Grund, als sein Körper noch zu einem Drittel aus der Flüssigkeit herausragte. Er watete zu dem Schläfer. Der Körper des Alten schwankte leicht. Kennof, der in seinem Leben unzählige seltsame Dinge erlebt hatte, kam sich irgendwie deplaciert vor. Aber er hatte diese Sache begonnen, und er würde sie auch zu Ende führen.
Behutsam berührten seine Fingerspitzen die Brust des Mannes - und zuckten zurück. Die Haut des Schläfers war eiskalt! Kennof fühlte eine Mischung von Widerwillen und schwacher Furcht. Der durchnäßte Stoff der Hose klebte an seinen Beinen. Er schloß einen Augenblick die Augen, um sich zu sammeln. Dann ergriff er ein Ohr des Schläfers und zog daran. Es war eine rein intuitive Handlung. Das Hörorgan des Mannes war seltsam nachgiebig und elastisch. Da riß das Ohr ab! Kennof stieß einen entsetzten Schrei aus und taumelte zurück. Dumpf gurgelnde Flüssigkeit schloß die Lücke, wo er gestanden hatte. Sein vor Grauen gelähmtes Gehirn begann allmählich wieder mit seiner Funktion. Er hielt das Ohr noch immer zwischen den Fingern. Es blutete nicht! Auch aus der Wunde am Kopf des Mannes rann kein Blut. Kennof zwang sich mit übermenschlicher Anstrengung, das Ding in seiner Hand näher zu untersuchen. Das schwache Licht erschwerte sein Vorhaben. Das Ohr bestand nicht aus menschlichem Fleisch; es war wahrscheinlich noch nicht einmal aus einem natürlichen Stoff. Kennof empfand über diese Tatsache keine Erleichterung. Sollte der ganze Körper des Mannes aus bioplastischem Material bestehen? Oder war diese Maskerade nur dazu da, um etwas anderes zu verbergen?
Etwas, das unter dieser erstaunlichen Schicht war und nur darauf lauerte, daß Kennof es befreien würde.
Im Leben eines jeden Mannes kommt der Augenblick, wo er panische Angst empfindet. Kennof war bis in sein Innerstes erschüttert. Seine geistige Stabilität, die weit über dem Durchschnitt lag, drohte zu zerbrechen. Rein instinktiv kroch er aus der Kammer hinaus. Bewegungslos lag er einige Zeit neben dem Einstieg.
Sein Körper, fast völlig durchnäßt, fing in der kühlen Höhlenluft zu dampfen an. Kennof zitterte. Wasserlachen bildeten sich um ihn herum.
Seine erste kontrollierte Reaktion galt dem Schläfer. Er schob sich an das Loch und blickte hinein. Er hätte es nicht tun sollen! Der schnauzbärtige Mann machte seltsame, schwimmende Bewegungen. Auf eine besondere Art war die Funktion seiner Gliedmaßen unmenschlich - wenn Kennof jemals etwas Unmenschliches gesehen hatte. Gebannt starrte er auf das gespenstische Schauspiel. Seine Augen weiteten sich, als die Gesichtshaut des Mannes plötzlich abzublättern begann!
Kennof war nicht dazu in der Lage, weiter zuzusehen, um festzustellen, was unter der menschlichen Haut war. Seine Hände faßten den Deckel und zogen ihn über die Öffnung. Unfähig, etwas Weiteres zu tun, sank er wieder zusammen. Der Gasbeschuß hatte einen fauligen Geschmack in seinem Munde hinterlassen.
Er hätte nicht sagen können, wie lange er hier unbeweglich gehockt hatte, als unter ihm etwas versuchte, den Deckel zu lüften.
*
Langsam machte sich Fedor Piotrowski damit vertraut, daß er ging, um einen Menschen zu töten. Mit eigenen Händen! Sein bisheriges Leben hatte eine Spur von Schlechtigkeit und Niedertracht hinterlassen. Ein geistiger Blick zurück ließ den Arzt seine düstere Vergangenheit erkennen. Er wußte, daß er schlecht war, aber er hielt diese Eigenschaft für etwas, das er nicht verdrängen konnte, weil es ihm von Geburt an
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