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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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Entschlossenheit gezeigt!
    Er fluchte und kippte den Rest seines Whiskys hinunter. Zum Glück hatte Oliver „zu medizinischen Zwecken" eine Flasche davon in den Salon gebracht. Nachdem Haydon beinahe eine Stunde lang rastlos auf und ab gegangen war, hatte der alte Mann beschlossen, dass ein Schlückchen Whisky ihm gewiss helfen würde, sich zu beruhigen. Haydon hatte die Flasche bereits zur Hälfte geleert und fühlte sich noch immer nicht ruhig. Im Gegenteil, er brannte förmlich darauf, etwas zu unternehmen.
    Wenn Genevieve die Nacht im Gefängnis verbringen will, hätte sie mich davon unterrichten müssen, damit ich mir keine Sorgen mache, dachte er zornig. Wie sollte er ruhig sein, wenn Charlotte im Kerker saß und Genevieve in der Dunkelheit allein durch Inverarays Straßen lief? Zu dieser Stunde wimmelte es dort vor zwielichtigen Gestalten, das wusste er aus eigener Erfahrung. Sie hätte schon vor Stunden zu Hause sein müssen und war vermutlich auf dem Heimweg überfallen oder entführt worden.
    Er setzte das Glas geräuschvoll ab und eilte zur Haustür, fest entschlossen, Genevieve zu finden.
    Bevor er dort ankam, drehte sich ein Schlüssel im Schloss, und die Tür wurde langsam geöffnet. Eine Welle der Erleichterung durchflutete ihn, als er Genevieve im schwachen Schein der einzigen Lampe vor sich stehen sah. Seltsamerweise schürte die Erkenntnis, dass sie heil und unversehrt war, seinen Zorn nur noch mehr.
    „Wo in Gottes Namen waren Sie?" fragte er mit schneidender Stimme.
    Genevieve fuhr nicht zusammen, sondern hob den Kopf, bis das schmale, blasse Oval ihres Gesichts vom dämmrigen Licht erhellt wurde.
    „Sie weigern sich, sie gehen zu lassen", antwortete sie leise. „Sie haben sie zu einer wahnsinnigen Mörderin in die Zelle gesperrt, die unablässig kreischt und wirres Zeug redet. Drei Tage soll sie dort bleiben, bis zu ihrer Verhandlung. Ich habe Mr. Ingram aufgesucht und ihn angefleht, zu ihren Gunsten auszusagen, doch vergeblich.
    Charlotte solle den anderen unerwünschten Elementen unserer Gesellschaft als warnendes Beispiel dienen, erklärte er. Dann habe ich meinen Stolz heruntergeschluckt und bin zu Charles gegangen, um ihn zu bitten, uns einen guten Rechtsanwalt zu besorgen. Er meinte nur, es sei Aufgabe meines neuen Ehemanns, sich um meine Brut zu kümmern, und ich habe meine Wahl an dem Tag getroffen, als ich es vorzog, ein Hurenbalg aufzuziehen, statt ihn zu heiraten. Er habe schon immer geahnt, dass mein Leben in einem Desaster enden würde. Er hat Kenntnis von meinen Schwierigkeiten mit der Bank und weiß, dass ich Gefahr laufe, nicht nur mein Haus, sondern auch meine Kinder zu verlieren. Und es ist ihm gleichgültig. In seinen Augen habe ich es nicht besser verdient."
    Auf ihren feinen, betörend schönen Zügen spiegelte sich tiefer Schmerz. Charles' Grausamkeit erfüllte Haydon mit Zorn, doch im Augenblick zählte nur Genevieves Kummer. Beschämt ob seiner groben Worte und seines eigenen Unvermögens, sie in diesen schweren Stunden zu unterstützen, stand er wie versteinert vor ihr.
    Dann breitete er unwillkürlich die Arme aus.
    Einen Augenblick lang blieben sie beide reglos stehen. Die Luft zwischen ihnen schien mit Furcht, Kummer und Verlangen aufgeladen zu sein. Ich schaffe das schon allein, dachte Genevieve und rang um Fassung, ich habe bereits Schlimmeres überlebt. Doch sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich je so verloren gefühlt hatte, so niedergedrückt von der Verantwortung, Charlotte vor dem düsteren Schicksal zu bewahren, das ihr und den anderen Kindern drohte. Ihr glitt das Zepter aus der Hand, sie spürte es und wusste, dass es ihren Untergang bedeuten würde.
    Also stand sie reglos da, als fürchte sie zu zerspringen, als würde die sorgfältig errichtete Fassade ihrer Unabhängigkeit zusammenbrechen, wenn sie sprach oder sich rührte.
    Haydon erkannte, dass widersprüchliche Gefühle in ihrem Innern tobten. Es war nicht seine Absicht gewesen, sie zusätzlich zu belasten, und die Vorstellung, dass er offenbar genau das getan hatte, betrübte ihn stärker als ihre eindeutige Zurückweisung. Er ließ die Arme sinken.
    Und dann stieß Genevieve einen leisen Schrei aus, warf sich an seine Brust und begann, herzzerreißend zu schluchzen.
    „Schon gut", sagte er mit tiefer, fester Stimme, während er sie an sich drückte.
    „Alles wird gut."

    Seine Beteuerungen entbehrten jeder Grundlage, doch er flüsterte sie immer wieder und tröstete Genevieve, als wäre

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