0091 - Satans Schloß
her, doch er erreichte vor mir den Innenhof.
»Warten Sie, Pierre!« schrie ich, aber genausogut hätte ich mit der Burgmauer sprechen können. Er hatte die Stimme seiner Freundin gehört und kannte kein Halten mehr.
Ein ganzes Stück vor mir erreichte er das Portal, riß die Nebenpforte auf und prallte zurück. Ganz still stand er da, mit hängenden Armen, den Kopf etwas vorgereckt. Irgend etwas in ihm schien zu zerbrechen.
Ich holte ihn ein und blieb ebenfalls stehen. Ich kannte die drei jungen Leute vor dem Schloß nicht, aber ich wußte zumindest, daß das Mädchen Pierres Freundin war.
Nun konnte ich auch seine Betroffenheit verstehen. Das Mädchen saß nämlich auf dem Motorrad eines breitschultrigen Kerls, der Pierre spöttisch angrinste.
»Na, was ist?« fragte Michelle herausfordernd. »Hat es dir die Sprache verschlagen, Kleiner? Da bin ich wieder!«
Pierre schüttelte nur stumm den Kopf.
»Hab dich nicht so!« rief der zweite junge Mann, ebenfalls auf einem Motorrad, ebenfalls eine ziemlich verwegene Type. »Nur weil sie mit uns Spaß bekommen hat, brauchst du kein Gesicht bis zum Boden zu ziehen. Oder bist du ein spießiger Opa?«
Michelle lachte schrill zu dem reich geschmacklosen Witz.
Pierre drehte sich hilflos zu mir um. »Das ist nicht Michelle«, murmelte er so leise, daß nur ich ihn hören konnte.
»Nicht?« flüsterte ich zurück. »Aber vorhin haben Sie doch gesagt…«
Er winkte ab. »Sie ist es, aber so hat sie sich nie benommen. Das ist nicht ihre Art! Das kann sie nicht sein!«
»Wir fahren ins Violon!« rief Michelle Larane. »Kannst ja auch hinkommen, wenn du willst! Wenn du eingeschnappt bist, geh zum Teufel!«
Die Motoren donnerten los. Die beiden jungen Männer wendeten auf der Stelle und jagten in halsbrecherischem Tempo die schmale, lebensgefährliche Straße in das Tal hinunter.
»Bleiben Sie hier, Pierre!« Ich wollte Pierre Arambon aufhalten, doch er hörte nicht auf mich, schwang sich ebenfalls auf sein Motorrad und raste den Berg hinunter.
Als ich mich umdrehte, standen Jane und Suko neben mir.
»Du solltest den Jungen vielleicht nicht allein lassen, John«, sagte Jane kopfschüttelnd. »Ich glaube, er weiß nicht mehr, was er tut. Das Auftauchen seiner Freundin, noch dazu in Begleitung dieser beiden Typen, hat ihn ordentlich erschüttert.«
»Du hast recht«, stimmte ich zu. »Ich müßte nur noch wissen, was das Violon ist.«
»Eine Diskothek für junge Leute«, ertönte Comte de Brouillards Stimme. Der Graf trat aus dem tiefen Schatten des Hauptgebäudes. »Sie finden es an der Ausfallstraße von Nouvatelle nach Paris. Es hat eine große Leuchtreklame. Sie können es gar nicht verfehlen. Dort trifft sich die Jugend aus einem weiten Umkreis.«
Ich nickte dem Comte zu und bestieg den Geländewagen der Gendarmerie von Nouvatelle.
Auf meinen Einsatzkoffer verzichtete ich, da ich mich nur um die Probleme junger Leute kümmern und Streit schlichten wollte. Erst zu spät sollte ich einsehen, daß es ein Fehler war.
***
Jetzt erschien mir die wilde Jagd den Berg hinunter in einem ganz anderen Licht. Es war keine Mutprobe, sondern eine Todesfalle!
Ich mußte Pierre zur Vernunft bringen! Mit dem Geländewagen konnte ich das leichte Motorrad nicht einholen.
Mit dem Geländewagen kam ich nicht so rasch voran wie die Motorräder. Außerdem schienen Pierre, Michelle und die beiden fremden jungen Männer nicht viel vom Leben zu halten. Wenn die Straße eine Kurve machte, konnte ich tief unter mir die Lichter der Maschinen sehen.
Sie jagten wie die Verrückten in die Tiefe. »Wenn ich euer Vater wäre«, murmelte ich. Ich war wütend auf diese Irren. Wie konnte man sein Leben so leichtfertig aufs Spiel setzen?
Plötzlich durchzuckte mich ein schrecklicher Gedanke. Pierre hatte geschworen, daß Michelle von Dämonen auf das Château verschleppt worden war! Und es hatte durchaus glaubwürdig geklungen. Und er hatte Michelle verändert gefunden.
Sollte ihre Veränderung nicht daher stammen, daß sie sich mit den beiden wilden Typen eingelassen hatte? War sie von den Dämonen so verändert worden, um Pierre in eine Falle zu locken?
In höchster Not fiel mir ein, daß ich in einem Wagen der französischen Gendarmerie saß. Ich hatte dieses Modell zwar noch nicht in den Händen gehabt, aber ich fand rasch die Schalter für Blaulicht und Sirene und schaltete beides ein.
Während ich mit unveränderter Geschwindigkeit die steile Bergstraße hinunterrollte, hallte die
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