0091 - Satans Schloß
Riesengroß wuchtete das Fahrzeug neben mir auf.
Noch zwei gewaltige Sätze, dann schnellte ich mich hoch in die Luft, erwischte den Griff der Fahrertür und klammerte mich daran fest. Meine Füße rutschten von dem Trittbrett ab.
Hilflos hing ich an dem Türgriff. Meine Beine baumelten frei in der Luft. Mit aller Kraft zog ich mich hoch und verankerte die Füße.
Die Mauer war nur mehr etwa zehn Wagenlängen entfernt. Unaufhörlich rollte das schwere Ungetüm auf die Schule zu.
Verzweifelt versuchte ich, die Fahrertür zu öffnen. Sie war verschlossen. Und ich hatte nichts, womit ich das Seitenfenster einschlagen konnte.
In letzter Sekunde fiel mir ein, daß die Tür vielleicht nicht zugesperrt, sondern von magischen Kräften blockiert war. Hastig zerrte ich das Silberkreuz unter meinem Hemd hervor und preßte es gegen das Türschloß.
Im selben Moment schnappte es, und die Tür schwang auf.
Mit beiden Händen hängte ich mich an das Lenkrad und kurbelte es bis zum Anschlag herum. Der schwere Wagen gehorchte. Mit protestierend kreischenden Reifen legte er sich schwankend in die Kurve, daß ich schon fürchtete, er werde umkippen.
Und immer näher kam die Mauer der Schule!
Ich konnte nicht weiter zur Seite lenken. Für eine Bremsung war es aber auch schon zu spät.
Ich wollte die Augen schließen, konnte es jedoch nicht. Die Mauer wuchs vor der Windschutzscheibe auf.
Es krachte und knirschte und kreischte, als die rechte Vorderseite des Führerhauses an der Mauer entlangschrammte. Die Windschutzscheibe barst. Ein Regen aus Glassplittern ergoß sich in das Wageninnere, aber ich hatte es geschafft. Der gefürchtete Zusammenprall blieb aus. Die Schule stand noch.
Erst jetzt konnte ich mich in das Wageninnere schwingen. Kein Zündschlüssel steckte im Schloß! Trotzdem donnerte der Motor auf vollen Touren. Mit einem raschen Griff tastete ich unter das Armaturenbrett. Die Zündung war nicht kurzgeschlossen.
Magische Kräfte hielten den Motor in Gang.
Jetzt steuerte der Wagen direkt auf Suko, Jane, Pierre und den zusammengebrochenen Arzt zu. Ich riß das Steuer in die andere Richtung herum. Noch immer nahm die Geschwindigkeit zu.
Ich rammte den Fuß auf die Bremse, doch nichts tat sich. Das Pedal griff, die Bremse war technisch einwandfrei. Dennoch raste der Lastwagen die Hauptstraße entlang.
Mit ununterbrochenen Hupzeichen warnte ich Fußgänger und Autofahrer. Zum Glück war die Stadt um die Mittagszeit wie ausgestorben. Nur ein entgegenkommender Radfahrer rettete sich mit einem gewaltigen Sprung in einen Hauseingang.
Ich wurde auf dem Sitz durchgerüttelt, so jagte der Lastwagen über das Kopfsteinpflaster und durch Schlaglöcher. Durch die zerbrochene Windschutzscheibe hörte ich eine Polizeisirene näherkommen. Die Gendarmerie konnte mir jedoch auch nicht helfen. Ich mußte den Wagen auf andere Weise zum Stehen bringen.
Während ich mit der Linken das Lenkrad festhielt, versuchte ich, die silberne Halskette mit dem Kreuz über den Kopf zu ziehen. Das war schwierig, weil mit die dünne Kette bei jeder Bodenwelle aus den Fingern glitt.
Im Rückspiegel entdeckte ich ein gelbes Blinklicht. Die Gendarmerie heftete sich auf meine Fersen. Die Kollegen mußten glauben, daß der Unglücksfahrer floh.
Noch immer war es mir nicht gelungen, das Kreuz zu lösen, obwohl ich bereits auf das Ortsschild von Nouvatelle zudonnerte. Erst jetzt erkannte ich die Straße nach Paris, die ich bereits in der letzten Nacht genommen hatte. Bei Tag sah alles anders aus, auch das Violon. Ohne die violette Lichtreklame wirkte der niedrige Schuppen tatsächlich trist.
Aber nicht das ließ mich frösteln sondern das Motorrad, das direkt auf den Lastwagen zuschoß.
Im Sattel saß – Michelle Larane!
Ich erkannte sie nur an den wehenden Haaren, ansonsten hätte ich sie für einen Mann gehalten. Sie trug kniehohe schwarze Stiefel und eine ebenfalls schwarze Lederkluft. Auf den Schutzhelm verzichtete sie.
Ich hämmerte die Faust auf den Hupknopf. Das Überlandhorn gellte schaurig auf, doch Michelle änderte den Kurs nicht. Sie kam mir genau auf der Mittellinie entgegen, und ihr Motorrad hatte mindestens hundert bis hundertzwanzig Stundenkilometer drauf!
Ein Blick auf meinen Tacho trieb mir den kalten Schweiß auf die Stirn. Der Zeiger zitterte ebenfalls um die hundert Stundenkilometer.
Mir blieb keine Zeit zum Überlegen. Im nächsten Augenblick war Michelle heran.
Ich wollte das Steuer nach rechts reißen. Neben der Straße
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