0093 - Vlado - der Schreckliche
Capeks Verlegenheitsfrage. »Und auch meinen Beruf. Ich werde Ihnen noch viel mehr erzählen, wenn Sie mir endlich erlauben, die Arme herunterzunehmen. Diese Stellung ist im höchsten Maße unbequem und vor allem nutzlos. Wir haben keine Waffen, die Ihnen gefährlich werden könnten. Und hätten wir welche, dann würden wir sie nicht benützen. Oder muss ich Sie daran erinnern, dass wir dem Fahrer und unserem Bewacher Pistolen und MP gelassen ha ben?«
»Nehmen Sie die Arme herunter. Ihre Begleiterin auch. Und jetzt erklären Sie mir endlich, warum Sie die Grenze illegal gewechselt haben.«
»Aus Zeitmangel«, antwortete Zamorra wahrheitsgemäß. »Im übrigen werde ich das Gefühl nicht los, dass wir unsere Unterhaltung nicht an diesem Ort fortsetzen sollten. Können wir nicht gehen? Es ist schon fast Nacht.«
»Haben Sie Angst vor der Dunkelheit?«, fragte Karel Capek und hätte sich für seine Worte im selben Augenblick am liebsten geohrfeigt. Dieser Zamorra war nicht der Mann, der sich vor der Dunkelheit ängstigte. Er hatte für alles, was er sagte, seine Gründe. Auch wenn Karel Capek sie noch nicht verstand. Er ahnte sie vielleicht. Es gefiel ihm selber nicht auf diesem Burghof. Das war tatsächlich ein unguter Platz. Und er hatte die Überreste von tausend Leichen und steinerne Sarkophage gesehen. Wer nur einen Funken Intelligenz in sich hatte, konnte sich an allen fünf Fingern abzählen, dass es mit diesem Ort etwas höchst Sonderbares auf sich hatte.
Zamorra sah Karel Capek an und las aus dessen Miene, dass er seine dumme Frage schon längst wieder bereute.
»Gehen wir, Leutnant?«
»Ja. Gehen wir. Sie leisten keinen Widerstand?«
»Mein Ehrenwort darauf.«
»Ich respektiere Ihr Versprechen«, sagte Leutnant Capek.
Es war 18 Uhr 11 geworden.
Für diesen Tag stand im Kalender, dass genau um diese Zeit die Sonne hinter den westlichen Bergen untergehen würde.
Fassungslos wurde Leutnant Karel Capek Zeuge, wie mit einem Male Mauern aus den Fundamenten wuchsen, wie sie höher und höher wurden, wie Haupt- und Nebengebäude entstanden, Lichter hinter den Fenstern flackerten. Der Söller ragte hoch in den Nachthimmel. Die ersten Gestalten kamen aus den Türen, rannten heraus auf den Burghof, umringten die wie zu Salzsäulen erstarrten Solda-Dann öffnete sich schauerlich knarrend das hölzerne Hauptportal mit den Stufen davor.
Vlados Schatten ragte lang heraus in den Hof.
Der Leichenñirst öffnete den Mund und zeigte sein schreckliches Gebiss.
Er lachte.
Den Männern und Nicole gefror das Blut in den Adern.
***
»Herzlich willkommen«, rief Fürst Vlado und überschaute das elende Häuflein der Sterblichen, die ihm nicht mehr entkommen sollten. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich über Ihre Ankunft freue. Doch was stehen Sie hier so steif herum? Es ist kalt. Folgen Sie mir in den Saal, wo das Kaminfeuer flackert. Fühlen Sie sich ganz, als gehörten Sie alle zu uns. Bald werden Sie für immer hier zu Hause sein. Oh! Professor Zamorra! Welche Ehre! Wir kennen uns ja bereits. Treten Sie doch näher.«
Zamorra sah sich gehetzt um. Er suchte die Gesichter der Männer ab, um zu sehen, wie sie reagierten.
Sie reagierten auf gar nichts mehr. Neben ihnen hätte ein Blitz in die Erde fahren können, und sie hätten vermutlich nicht einmal mit einer Wimper gezuckt. Sie standen bereits ganz unter dem unseligen Einfluss des Dämonenfürsten. Ihre Augen sahen aus, als hätte man sie gegen Glasmurmeln ausgetauscht.
Lediglich in Nicoles Blick war noch ein leises Flackern. Sie hatte schon sehr oft Kontakt mit Zamorras Medaillon gehabt. Vielleicht lag es daran, dass Vlado sie nicht ganz in Trance versetzen konnte.
Jedenfalls kümmerte der Leichenfürst sich nicht um die junge Frau und auch nicht um die Soldaten, die ihre Waffen gesenkt hatten. Ein paar Pistolen und MP’s lagen auf dem Boden herum.
Vlado kümmerte sich ausschließlich um Professor Zamorra. Er trat bis auf wenige Meter an den Dämonenjäger heran und blieb dann stehen. Zamorra bemerkte, dass der Ghul fast einen Kopf kleiner war als er. Trotzdem hatte er keinen Sekundenbruchteil lang das Gefühl, er wäre dem Todesfürsten überlegen.
Das hier, die ganze unwirkliche Umgebung, war Vlados Reich. Hier war er unumschränkter Herrscher. Zamorra konnte nur hoffen, dass das Amulett ihn vor dem Schlimmsten bewahrte. Auf keinen Fall würde er Nicole und den Männern helfen können.
Vlado schien zu ahnen, was hinter Zamorras
Weitere Kostenlose Bücher