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0095 - Yama, der Totengott

0095 - Yama, der Totengott

Titel: 0095 - Yama, der Totengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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noch einen weiteren Vorteil. Das Fürstentum stand in enger Beziehung zu Indien, wo der Dalai-Lama im Exil lebte und selbstverständlich gute Kontakte besaß.
    Die Vermutungen Zamorras bestätigten sich. Auf Befragen erklärte ihm Blo, dass er und seine beiden Begleiter mit Hilfe offizieller indischer Reisepapiere von Bhutan aus nach New York gekommen waren.
    Die Marschroute war also klar. Zamorra und Bill Fleming brauchten Visa nach Bhutan, das außenpolitisch von Indien vertreten wurde.
    Bill Fleming ließ seine Beziehungen spielen. Nicht ohne Erfolg. Binnen kürzester Zeit waren er und der Professor im Besitz der erforderlichen Reisepapiere.
    Die Reise zum Schlangenkloster konnte beginnen.
    ***
    Wie Blo angekündigt hatte, wurde es in der Tat eine äußerst beschwerliche Reise.
    Mit einer Maschine der Air India ging es von New York nach Kalkutta, der indischen Millionenstadt am Golf von Bengalen. Dann hieß es umsteigen in einen kleinen Blechvogel, der einer obskuren indischen Chartergesellschaft gehörte. Die Maschine war eine alte Piper, die so klapprig und abgewrackt aussah, dass Zamorra und Fleming das Schlimmste befürchteten.
    Ihre Befürchtungen wurden übertroffen. Die Maschine klapperte an allen Ecken und Enden, das Triebwerk gab erschreckende röhrende Geräusche von sich, und die Flugeigenschaften des Vogels waren nur etwas für Leute mit einem urgesunden Magen. Zudem war der Pilot ein Sikh, der sich offenbar vorgenommen hatte, die andersgläubigen Lama-Mönche und ihre weißen Begleiter fix- und fertig zu machen.
    Die rund sechs- bis siebenhundert Kilometer von Kalkutta bis nach Punakha, der Winterhauptstadt des Fürstentums, waren ein einziges Martyrium für Körper und Nerven. Wider Erwarten landete die Maschine dann aber doch auf einem lächerlich kleinen Flughafen in der Metropole Bhutans.
    Was danach kam, war noch beschwerlicher. Zwei Männer in lamaistischer Mönchstracht mit roten Mützen nahmen sich der Reisenden an. Zamorra und seine Begleiter wurden auf einen alten Armee-Lastwagen verfrachtet, der sich dann tuckernd auf den Weg zur tibetischen Grenze machte. Diese lag etwa achtzig Kilometer entfernt, und doch dauerte die Fahrt bis dorthin fast einen ganzen Tag.
    Eine Straße im eigentlichen Sinne existierte nicht. Es war eine Art Karrenweg, der sich zwischen den schneebedeckten Berggiganten des Himalaja hindurchschlängelte. Immer wieder versperrten Felsbrocken den Weg und mussten mühsam weggeräumt werden. Die Temperaturen blieben zwar erträglich, aber die Luft wurde zusehends dünner. Während die Einheimischen davon überhaupt nicht beeinträchtigt wurden, entwickelten Zamorra und Fleming unerhörte Durstgefühle. Nie in ihrem Leben hatten sie so viel getrunken.
    Schließlich war die Autofahrt zu Ende. Die Grenze war noch etwas mehr als fünf Kilometer entfernt. Von nun an ging es zu Fuß weiter, auf einem unerhört schmalen Pfad, der nicht durch das Tal, sondern geradewegs über die Flanke eines Berges führte.
    Es war ein schwindelerregendes Fortkommen. Auf der einen Seite gähnten klaffende Abgründe, und auf der anderen Seite drohten die Schneemassen des Gletschers.
    Der Weg durchs Tal wäre bequemer gewesen, konnte jedoch aus einleuchtenden Gründen nicht beschritten werden. Einen offiziellen Grenzübergang nach Tibet gab es nicht. Nach der geographischen Lage hätte es ihn aber geben können. Grund genug für beide Staaten, beiderseits der Grenze Posten aufzustellen. Bhutan, dessen Armee ausschließlich zur Grenzsicherung da war, unterhielt im Tal sogar eine Garnison. Diese und die Grenzsoldaten der Volksrepublik China galt es zu umgehen.
    Und es gelang, sie zu umgehen. Hoch oben über den Köpfen der Grenzsoldaten wurde die Grenze zwischen Tibet und dem Fürstentum passiert.
    Die beiden Lamas aus Punakha verabschiedeten sich. Ihre Arbeit war getan.
    Wenige Kilometer von der Grenze entfernt lag im Schatten eines bewaldeten Hangs ein kleines Lama-Kloster. Hier fanden Zamorra, Bill Fleming und die drei Tschöd-Mönche Schutz vor der Nacht, fanden sie Zeit, die strapazierten Körper ausruhen zu lassen.
    Am anderen Morgen ging es weiter ins Land hinein - zu Fuß. Auch die beiden Männer aus dem Westen trugen jetzt die Mönchskleidung der Lamas. Für jemanden, der nicht haarscharf hinsah, waren sie Lamas. Mehrere patrouillierende chinesische Soldaten sahen nicht haarscharf hin. Die wandernden Bettelmönche, von den Besatzern nicht gerne gesehen, aber wohl oder übel doch geduldet,

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