0097 - Der unheimliche Richter
trug?«
»Schlimm.« Er hob die Schultern. »So genau habe ich sie nicht gesehen, meist nur von hinten. Ich sah aber das grauweiße, zottelige lange Haar.«
»Hat diese Gestalt etwas gesagt?« forschte ich nach.
»Ja und nein.«
Ich schaute ihn scharf an. »Können Sie etwas deutlicher werden, Mr. Morton. Es ist sehr wichtig.«
»Sie haben sich wohl mal unterhalten.«
»Dann haben Sie doch sicherlich etwas verstanden?«
Al Morton schwieg. Mit der linken Hand wischte er sich über das Gesicht. »Es ist alles so schwierig, Sir, ehrlich. Außerdem schmerzte mir mein Kopf.«
Powell mischte sich ein. »Sie können sich mit dem Überlegen ruhig Zeit lassen, Mr. Morton.«
»Danke, Sir, doch ich kann mich wirklich kaum erinnern.«
Ich hakte nach. »Was heißt kaum?«
Er hob die breiten Schultern. »Nun, ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, doch einmal glaubte ich das Wort Richter verstanden zu haben.«
Meine Augen wurden schmal. »Sagten Sie Richter?«
»Ja, Sir.«
Das war ein Ding. Hatte mir der Ghoul nicht von dem geheimnisvollen Richter erzählt, der ihn schon aburteilen wollte, es sich aber dann anders überlegt hatte? Durch welchen Umstand auch immer.
»Haben Sie was, John?« fragte Powell. Ihm war meine Veränderung nicht entgangen.
»Das erzähle ich Ihnen später«, erwiderte ich und wandte mich an den Zeugen. »Mehr haben Sie nicht verstanden?«
»Nein.«
»Können Sie sich wirklich nicht denken, wo man Ihren Chef hingeschleppt hat?«
»Vielleicht in ein Versteck. Mr. Parker ist ein reicher Mann. Wenn die Entführer Lösegeld haben wollen…«
Ich winkte ab. »Diese Theorie können wir getrost abhaken, Mr. Morton.«
»Oder in sein Privathaus«, sagte er plötzlich.
Powell und ich schauten uns an. »Der Gedanke ist gar nicht so schlecht«, murmelte ich, und Powell schob mir bereits einen seiner drei Telefonapparate in die Reichweite.
Ich fragte Morton: »Wissen Sie die Nummer auswendig?«
Er sagte sie mir, und ich wählte…
Es läutete ein paarmal durch, doch im Haus hob niemand ab. »Keiner da?« fragte der Superintendent.
Ich hob die Schultern. »Es meldet sich zumindest niemand. Was nicht heißt, daß keiner zu Hause ist.«
»Sie wollen hinfahren?«
»Natürlich.«
»Kann ich jetzt gehen?« fragte der Chauffeur.
Powell gab seine Einwilligung. »Bis der Fall ausgestanden ist, nehmen wir Sie in Schutzhaft. Haben Sie Familie?«
»Nein, Sir.«
»Das ist gut.« Der Superintendent sorgte dafür, daß Al Morton abgeholt wurde. Ich blieb noch da.
»Sie haben bereits von diesem seltsamen Richter gehört?« fragte mich mein Chef.
»So ist es.« Ich berichtete ihm, was mir Grimes, der Ghoul, mitgeteilt hatte.
Sehr aufmerksam hörte Powell zu. »Das ist allerhand«, meinte er. »Dann gibt es in den Dämonenreichen ähnliche Gesetze wie bei uns?«
Ich nickte. »Versager werden sogar abgeurteilt, bevor sie in das Reich des Spuks eingehen.«
»Aus welchem Grunde ist dieser Dämonenrichter in unsere Welt eingedrungen?«
Ich hob die Schultern. »Wahrscheinlich paßte es ihm nicht, daß Grimes doch noch freigekommen ist.«
»Das kann sein. Nur was hat die Familie Parker mit ihm zu tun? Warum hat er Ezra Parker entführt?«
Darauf wußte ich auch keine Antwort.
»Sehen Sie eine Verbindung zwischen Grimes, dem Richter und Ezra Parker?« fragte mich Powell.
»Im Moment noch nicht.«
»Aber es könnte eine geben?« James Powell ließ nicht locker. Er war ein alter Fuchs.
»Sicher«, gab ich zu.
Der Superintendent nahm einen kräftigen Schluck von seinem Magenwasser. Er spülte den Mund aus, schluckte das kohlensäurearme Zeug hinunter. »Wo könnte dieser Grimes stecken?«
»Bestimmt nicht bei Parker.«
»Da vermuten Sie den Richter«, sagte Powell.
»Genau.«
Powell schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. »Dann fahren Sie doch hin.«
»Das wollte ich auch.« Ich hatte mir die Adresse gemerkt, als ich nach der Nummer gesucht hatte.
An der Tür hielt mich Powells Stimme auf. »Und denken Sie auch an Grimes, John.«
Ich lächelte ergeben. »Sicher, Sir. Ich denke Tag und Nacht an ihn. Besonders nachts, da wird er mir nämlich zum Alptraum.« Nach dieser Antwort schloß ich die Tür von draußen.
***
Grimes, der Ghoul, hielt sich im Schutze der Telefonzelle verborgen.
Er zitterte vor Wut und Angst. Aber besonders vor Wut. Mit drei seiner Artgenossen war er angetreten, und doch hatte Sinclair es geschafft, zu entkommen.
Und nicht nur das. Er hatte sogar die
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