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0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traute Maahn
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starrte auf die Teufelsfratzen der Hexen, die ganz dicht vor ihren Köpfen auf und abwogten.
    Plötzlich schrie June auf. Sie hatte es zuerst gesehen.
    Die Mäuler der Bestien hatten sich hochgeschoben und scharfe, gnadenlose Vampirgebisse kamen zum Vorschein. Nicole spürte, wie das Mädchen neben ihr schwankte.
    Ihr selbst wurde bei dem Anblick ganz übel. Zamorra, wo bist du? flehte sie. Aber du kannst ja nicht wissen, wo wir sind. Wir wissen es doch selbst nicht!
    Gierig starrten die Hexen auf die beiden verstörten, eng aneinandergedrängten Mädchen.
    Radegonde lachte meckernd.
    »Wir werden uns an ihrem Blut berauschen«, schrie sie, »wir sind süchtig nach dem Blut junger, schöner Mädchen…«
    »Nein«, stöhnte June.
    Triumphgeheul rauschte über die Köpfe der beiden Gefangenen hinweg. Wie fasziniert starrte Nicole auf die langen, dolchartigen und spitzen Zähne der Hexen. Die geifernden Mäuler bewegten sich rhythmisch auf und ab in der Vorfreude des Genusses, der sie erwartete.
    Die irisierenden grünen Lichter in den Augenhöhlen der Dämonenweiber waren lechzend auf die Halsschlagadern der beiden Mädchen gerichtet.
    Nicole griff in ihrer höchsten Not nach dem kleinen Heiligenbild. Sie hob es hoch, hielt es den Monstern entgegen.
    »Das Gute ist hier und stellt sich euch zum Kampf«, sagte sie. Etwas anderes fiel ihr nicht ein, und sie hatte auch wenig Hoffnung, das es wirkte.
    Radegonde knurrte und stieß einen hohen, gellenden Schrei aus.
    Die Hexen zischten, fauchten, doch ihr Kreis wurde größer, sie wichen merkbar zurück.
    Nicole konnte es nicht fassen. Die heilige Kraft des Bildchens konnte nicht groß sein. Es war eines von tausenden und abertausenden Souvenirs, wie sie in den Ständen vor alten Klöstern und Kirchen feilgeboten wurden. Sie konnten nicht geweiht sein.
    »O Herr des Himmels«, sagte June atemlos, »hilf uns.«
    Wieder fauchten die Hexen, doch sie bewegten immer noch ihre Vampirzähne auf und nieder. Nicole begriff, daß sie auf einen Befehl ihrer Oberhexe warteten.
    Schlagartig wurde ihr bewußt, daß sich dieses billige Madonnenbild niemals mit dem geheimnisvollen Amulett von Zamorra vergleichen ließ.
    Sie hatte die Hexen damit nur bluffen können. Sobald die Dämonen aber merkten, wie gering die gute Kraft war, die von ihm ausging, würden sie wieder näherkommen, und dann war ihr Schicksal besiegelt.
    Da… jetzt war es schon soweit. Es war, als könnte Radegonde Gedanken lesen.
    »Die nehmen wir zuerst«, schrie Radegonde und deutete auf Nicole. »Sie unterwirft uns ihre Seele nicht. Sie ist trotzig und erkennt uns nicht als stärker an.«
    Mit ausgebreiteten Armen sprang sie in den Kreis, packte Nicole an den Schultern und riß sie näher zu sich heran. »Ich mache den Anfang«, schmatzte sie wie im Fieber. Sie bog Nicoles Hals zurück, neigte sich über sie und öffnete bißbereit das schreckliche Gebiß.
    »Halt«, schrie eine harte Männerstimme. »Zurück, Radegonde.«
    Zamorra hielt den sechs Hexen das Amulett hin. Die Meute fletschte die Zähne, zischte, wand sich in jammernden Wehlauten, und dann sank eine Hexe nach der anderen in die Knie.
    »Eure Schwestern hab’ ich schon ins Reich der Finsternis zurückgeschickt«, sagte Zamorra. »Begebt euch zu ihnen. Ich will es. Ihr müßt dieser guten, warmen Kraft des Lebens weichen. Ihr müßt euch ihr immer unterwerfen…«
    Das schaurige Stöhnen wurde schwächer. Blauer Feuerschein hüllte die Knochengestalten ein — und es war wie im Gewölbe auf dem Filmgelände. Nach dem Verlöschen des Lichts sackten die Gerippe zu einem Knochenhaufen zusammen, verfärbten sich innerhalb von Sekunden, und starker Verwesungsgeruch lag über der Szene.
    Bis zum bitteren Ende hielt Zamorra durch. Er wartete, bis die Totenschädel zur Größe kleiner Bälle zusammengeschrumpft waren und scheppernd auf die Steinfliesen prallten. Innerhalb von Sekunden wurden aus den sechs Hexen sechs kleine Staubhäufchen.
    Erst jetzt wandte sich Zamorra der Oberhexe Radegonde zu.
    »Laß sie los«, befahl er ihr.
    Radegonde rührte sich immer noch nicht. Aber sie sprach. »Zwei Jahrhunderte haben unsere Seelen keine Ruhe gefunden«, sagte sie dumpf. »Und du kleiner Zwerg willst…«
    »Ich bin wirklich ein ganz unwichtiger Mensch«, stimmte Zamorra zu, »doch dieses kleine Silberamulett ist geweiht und hat schon viele deinesgleichen ins Totenreich zurückgeschickt. Schau es an, Radegonde.«
    »Du kennst mich?«
    »Ich weiß alles über euch.

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