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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Kriegsjahre in einem japanischen Internierungslager verbracht hatte und Geschichte und Religion mit dem Enthusiasmus und Schneid eines alten Fabeldichters unterrichtete. Als eingefleischter Schotte erzählte er uns im Geschichtsunterricht glühend von William Wallace, dem Montrose-Aufstand und den Jakobinerkriegen der Jahre 1715 und 1745.
    Wie sich später noch zeigen wird, habe ich ganz besonderen Grund, Jim Bruce dankbar zu sein.
    Ich habe diese und andere biografische Details erst vor zwei Wochen durch einen freundlichen Brief erfahren, den Ant Cromie mir zu unzähligen Fragen über Stouts Hill schrieb. Charles Knight etwa, bei dem ich Latein und Griechisch hatte und der aussah wie der GattinnenmörderHawley Grippen, von allen meinen Lehrern aber gleichwohl der freundlichste und sanfteste war, ein Mann, der seinen Beruf liebte, keinerlei Interesse an Maßregelungen und Strafen jedweder Art hatte und mächtig stolz war, als ich im Alter von zwölf Jahren den Griechischpreis der älteren Schüler gewann (eine Gesamtausgabe von John Keats, die ich heute noch besitze) – auch er hatte im Wüstenkrieg und in Italien gekämpft. Ich erinnere mich noch genau an die Geschichtsstunden, in denen es um den Krieg ging, von dem wir alle völlig fasziniert waren, obwohl wir erst zwölf oder dreizehn Jahre nach seinem Ende geboren waren. Fast jeder Schüler konnte eine Dornier oder Heinkel am Umriß erkennen und Hurricanes, Spitfires oder Panzer zeichnen. Und doch kann ich mich an keine einzige Situation erinnern, in der einer unserer Lehrer über seine persönlichen Kriegserlebnisse gesprochen hätte. Hätte ich davon gewußt, hätte ich sie mit Fragen gelöchert und bombardiert. Noch heute wundere ich mich über das Schweigen ehemaliger Soldaten.
    Wenn ich die Namen der Ehemaligen las, mußte ich jedesmal an den Krieg denken. Obwohl die Schule erst 1935 gegründet worden war, erschienen mir die Namen über den Schiffen wie Gedenktafeln für die im Krieg Gefallenen, da von ihnen die gleiche wehmütige Endgültigkeit ausging. Eine zeitgenössische Gedenktafel, welche großen und berühmten Namen sie auch enthält, klingt immer lebendiger und fröhlicher; die Ehrentafel der vorangegangenen Generation dagegen erinnert an das gedämpfte, düstere Läuten einer Totenglocke.
    Ich brauchte nicht lange zu Poidevin und Winship und Mallett hinaufzuschauen, als ich im Spiegel des Vitrinenglases sah, wie am anderen Ende des Flurs die Tür aufging. Ich drehte mich um.
    Cromie stand in der Tür und bedeutete mir mit einer Bewegung des Zeigefingers zu kommen. Erleichtert lief ich den Flur entlang.
    Irgendwie spürte ich, daß ich verloren hatte. Und ich wußte auch, daß es so das beste war. Wie ein verängstigter Köter, der zwischen den Beinen seines Herrchens davonflitzt, kam Bunce aus dem Büro geschossen und raste den Flur entlang auf mich zu. Als er an mir vorbeirauschte, sah ich kurz das rollende Weiß seiner Augen und glaubte ein herausgepreßtes Wort zu hören, das wie »’tschuldigung« klang.
    Während ich auf Cromie und die offene Tür zu seinem Büro zusteuerte, wandte er sich den sechs oder sieben Jungen zu, die in der Nähe herumlungerten und so taten, als würden sie mit den Papageien reden oder die Bilder an den Wänden betrachten.
    »Was treibt ihr euch hier herum?« brüllte er. »Nichts Besseres zu tun? Soll ich euch ein paar Sonderaufgaben geben?«
    Sofort zogen sie in stummer Panik ab.
    Ich war jetzt ganz allein auf dem Flur und bewegte mich weiter auf Cromie im Türrahmen zu, dessen dunkle Silhouette sich scharf gegen das Licht seines Bürofensters abzeichnete. Der Flur schien länger und länger zu werden, wie in einer der von Wahrheitsdrogen induzierten Halluzinationsszenen in Mit Schirm, Charme und Melone oder Der Mann mit dem Koffer . Sein Zeigefinger schien immer noch nach mir zu winken, während ich gleichzeitig das Gefühl hatte, mich mit jedem weiteren Schritt von ihm zu entfernen.
    Als sich die Tür hinter uns schloß, verstummten mit einem Mal alle Schulgeräusche, und es war totenstill im Raum. Selbst die Papageien und der Hirtenstar gaben keinen Laut von sich.
    Cromie ging zum Fenstersims, wo die Rohrstöcke verwahrt wurden.
    »Du weißt«, sagte Cromie mit einem Seufzer, »daß Prügel anstehen, nicht wahr, Fry?«
    Ich nickte und leckte mir die Lippen.
    »Nur ist mir viel daran gelegen«, fuhr er fort, »daß du auch weißt, warum .«
    Ich nickte erneut.
    »Zum Dorfladen zu gehen, ist eine Sache. Aber

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