Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sichtbar wurde. Es war ein Wolkenband, doch es wirkte wie ein Biest. In seiner länglichen Bedrohlichkeit war es Fafnir ähnlich, und es räkelte sich vom Wasser so weit in den Himmel, dass Siegfried meinte, dass die Götter in Walhall ihre Füße hineinstecken konnten. Manchmal öffnete das Biest die Augen, und Blitze zuckten daraus hervor. Dann wieder brüllte es, und der Donner schien die Wellen unter dem Bug der Schiffe zu brechen, obwohl sie noch weit davon entfernt waren.
    »Ein Sturm«, knurrte Hagen, das gesunde Auge verstimmt nach Norden gerichtet.
    Auch Gunther schien gereizt. »Keiner, wie ich ihn je gesehen habe.«
    »Es ist die Magie der alten Götter«, erklärte der Ratgeber.

    »Es geht die Legende, dass sie sich immer weiter nach Norden zurückgezogen haben, als mit den Römern das Christentum kam.«
    Der König von Burgund streckte sich stolz. »Es mag Teufelswerk sein - aber alte Götter sind es nicht. Es gibt nur einen Gott und keine Götter neben ihm. Werden unsere Schiffe dem Unwetter trotzen können?«
    Hagen nickte. »Wir werden unsere Ladung festzurren und uns selbst mit Seilen an die Holzplanken binden. Die Segel und die Ruder werden eingeholt. Die Strömung bringt uns direkt nach Island. Was uns dort jedoch erwartet . . . «
    »Bitte erspare mir weitere Schauergeschichten von der Königin, die ihre Werber frisst«, winkte Gunther ab. »Es sind nichts weiter als klägliche Ausreden der Männer, die Brunhilde nicht gewinnen konnten.«
    Er mühte sich, voll Zuversicht zu sein, doch in seinem Herzen waren Gunthers Sorgen übermächtig. Es gefiel ihm nicht, dass er die Hand einer Königin zu erringen trachtete, die einem heidnischen Glauben anhing, auch wenn der Bischof von Worms ihm versichert hatte, dass die Hochzeit zugleich Taufe sein würde. Und er fragte sich, was für eine Frau das sein mochte, die sich so teuer zu verkaufen gedachte, dass an den Höfen des Kontinents gemurmelt wurde, dass nur ein Gott ihren Prüfungen standhalten konnte?
    Aber wie er es auch drehte, Brunhilde war die richtige Königin, um an seiner Seite den Thron von Burgund zu besteigen. Wenn sie in der Lage war, gesunde Kinder zu gebären, konnte zwischen den Nordlanden und dem großen Gebirge im Süden ein Reich entstehen, das über Generationen blühte. Ein Reich, das auch den Niedergang Roms überstand und die Hunnen alsbald wieder in den Osten jagte.

    Es gefiel Gunther in seiner Eitelkeit, sich bei der Wahl der Braut nicht auf törichtes Herzklopfen verlassen zu haben, sondern auf die politische Vernunft.
     
    Die Wolkenschlange fraß die Schiffe der Burgunder schnell und gierig, und zwischen ihren Zähnen drohte das Holz zu bersten und das Metall zu schmelzen. Blitze zuckten so häufig, dass die Umgebung nur noch helldunkles Flackern war, und trommelnde Ungeheuer trieben den Donner über das Meer. Wie Blätter im Wind tanzten die Schiffe, eben noch stolz, nun klein und feige, auf den Kronen mächtiger Wellen, um dann in wässrige Täler zu stürzen, die wie Stein auf sie warteten.
    Die meisten Männer bangten unter Deck um ihr Leben und beteten zu vielen Göttern um Gnade oder wenigstens einen schnellen Tod. Ihre Leiber waren mit Lederriemen an die Ruderbänke gebunden. An Deck des führenden Schiffes hielten sich nur noch Hagen und Siegfried auf, beide an den stolzen Adlerkopf geschnürt, die Gesichter rissig vom salzigen Wasser, das immer wieder über sie schwappte. Sie hielten Ausschau nach Island oder wenigstens einem hellen Horizont, der ein Ende des Sturms versprach. Kein Wort fiel, denn sie hatten einander nichts zu sagen.
    Ein, zwei Stunden lang ging es nur auf und ab, während der Wind wütend auf die Schiffe eindrosch, als habe er eine alte Rechnung zu begleichen. Siegfried fragte sich gerade, wie lange die Schiffsrümpfe dem noch widerstehen mochten, als hinter ihm mit hässlichem Knirschen der Mast zu brechen begann. Wie ein Halm, auf den ein Fuß trat, knickte er zur Seite und spuckte Splitter. Er schlug auf das Deck und rollte sich in Takelage und schwerem Segeltuch. Dabei stieß er an das fest gespannte Seil, mit dem das Ruder fixiert war. Das Tau gab nach und riss. Als hätte ein Gott es getreten, ruckte das Schiff augenblicklich zur Seite, während das Steuerruder in den Halterungen klapperte.
    Zu den Dingen, ohne die ein Boot verloren war, gehörten ein unversehrter Rumpf und ein unversehrtes Steuerruder. Das eine, damit es nicht sank, und das andere, damit es eine Richtung fand. Sowohl

Weitere Kostenlose Bücher