01 - Der Ring der Nibelungen
zählt auf Siegfrieds Beistand vor der Königin Brunhilde. Doch mir scheint, als gäbe es zwischen jenen beiden unbekannte Bande.«
Gernot runzelte die Stirn. »Siegfried und die Königin von Island? Wie sollte das sein? Vor kaum ein paar Wochen war er noch nicht mehr als ein Schmied.«
Kriemhild nahm die Hände ihres Bruders. »Ich habe keine Antworten darauf. Und genau deshalb bitte ich dich, auf Burg Isenstein für mich Auge und Ohr zu sein.«
»Das Wenige, das ich zum Glück von Burgund beitragen kann, will ich tun«, versprach Gernot.
Die Prinzessin fiel ihm um den Hals, küsste ihn eifrig und erhob sich dann. »Zum wie vielten Mal nun stehe ich schon in deiner Schuld? Ich werde Gunther verkünden, dass du an seiner Seite reist.«
Sie lief zur Tür, nur um sich noch einmal umzudrehen. »Was war es, was du mir zu berichten hattest?«
Gernot winkte ab. »Nichts, was nicht bis zu meiner Rückkehr aus dem eisigen Norden Zeit hat.«
Kriemhild eilte davon, und Gernot blieb mit einem Kloß im Magen zurück. Es hatte sich einmal mehr gezeigt, dass Kriemhilds Aufmerksamkeit nur noch dem baldigen König von Xanten und Dänemark galt. Und dass er, der Prinz, zu schwach war, ihr entschlossen zu verkünden, dass sein Herz und sein Versprechen Hagens Tochter gehörten.
Wie es Elsa ergangen war, dass er sie, kaum da das Wort »Liebe« gefallen war, gleich wieder verlassen musste, mochte er sich nicht vorstellen. Viele Dinge liefen wirr in letzter Zeit, und manchmal überkam Gernot das Gefühl, dass der Aufstieg des Reiches kein Gewinn der Helden war, die ihn für sich beanspruchten. Als sei ein Dienst in Anspruch genommen worden, dessen Entlohnung noch ausstand.
Er seufzte. Island.
Dabei fror er doch so leicht.
11
Brunhilde und das Recht der Macht
Mit nur zwei Schiffen ging es unter der Flagge Burgunds den Rhein stromabwärts, Richtung Meer. Je ein Dutzend Ruderer und ein Dutzend Soldaten waren an Bord, dazu eine Hand voll Diener und verschiedene Berater. Gunther, Gernot, Siegfried, Hagen - sie alle teilten sich den Platz auf dem Deck des führenden Schiffs. Der Fluss hielt still, als wollte er bedächtig die Könige auf seinem Rücken tragen.
Während Gunther und seine Berater meist über Plänen saßen, wie der Bund zwischen Island und Burgund zu gestalten war, hockte Gernot am Heck und starrte verdrossen in die Strudel, die das Schiff hinterließ. Siegfried hingegen fühlte seine Kraft ungenutzt und hatte die Hand meist auf dem Adlerkopf, der den Bug zierte. Er blickte nach vorn, ständig neue Eindrücke suchend. Die Unruhe in seinem Innern kam nicht nur von der Sehnsucht nach Kriemhild oder der Tatsache, dass er kaum Wege fand, sich zu beschäftigen. Es war die Erkenntnis, dass ihm durch den Flusslauf sein Leben vor Augen geführt wurde. Denn kaum eine Woche nach der Abfahrt hatten sie Odins Wald passiert, und Siegfried hatte Gunther überredet, an einer Stelle, die er gut kannte, das Lager für die Nacht zu errichten.
Er war die alten Wege gegangen, hatte vertraute Geräusche vernommen und schließlich die verlassene Schmiede entdeckt. Was auch immer in ihm gehofft hatte, hier wieder auf Regin zu treffen, wurde enttäuscht. Der alte Meister war wirklich in ein neues Land, ein neues Leben gezogen. Die Schmiede war ein toter Ort und jedes Leben nur Erinnerung. Nach kurzer Überlegung hatte Siegfried Nothung gezogen und Schmiede sowie Beihaus klein gehackt, bis ihre Reste kaum höher als das Gras standen. Er hatte ein letztes Mal vor dem Grab seiner Mutter gebetet und war dann wieder zum Rhein marschiert. Dabei hatte er mit Bedacht nicht jenen Weg gewählt, der ihn zu dem Bach geführt hätte, an dem er einst mit dem Mädchen Brunhilde gekämpft hatte.
Angenehm erschöpft, aber missgelaunt kehrte er zu den Burgundern zurück, und die düstere Stimmung des Abends machte es ihm leicht, sich auf ein Gespräch neben Prinz Gernot zu setzen, der am Ufer des Rheins auf das ruhige Wasser seufzte. »Mein Prinz, es ist nicht an mir, Euch Vorhaltungen zu machen, aber sollte es für das junge Herz nicht aufregend sein, den Bruder in ein wildes Land zu begleiten?«
Gernot versuchte zu lachen, aber nur ein Schnauben kam über seine Lippen. »Siegfried, nicht jeder sucht das Abenteuer jenseits des Horizonts. Alles, was ich je entdecken wollte, ist daheim geblieben.«
Siegfried wusste, wovon der junge Mann sprach. Kriemhild hatte ihm von der Liebelei zwischen Gernot und Elsa erzählt. »Dann wird Euer
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