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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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inne, weil er durch das Fenster Kriemhild sah, die aus dem Portal trat. Hinter ihr schritt Gundomar, gefolgt von Giselher, Gunther und Gernot. Es war sicher die einzige Gelegenheit, bei der die Prinzessin den Rest der Familie führte.
    Regin stand auf und ging zur Tür. Mochte Siegfried die Zeremonie auch gleichgültig sein - der Schmied wollte sich das Ereignis nicht entgehen lassen. Also trat er auf den Hof hinaus.
    An beiden Seiten des Weges zum Haupttor knieten die Männer und Frauen des Hofstaats, den Blick ehrfürchtig gesenkt. Kriemhild sah aus, als habe sie in Licht gebadet. Ihre helle Haut strahlte, und das blonde Haar schien die Eifersucht der Sonne selbst erwecken zu wollen. Ein Goldreif als einziges Zeichen ihres Standes mühte sich, die Lockenpracht zu bändigen. Das Kleid der Prinzessin war von einfachem Schnitt, aber sein feiner Stoff umfloss sie wie Wasser.
    Kriemhild war eine Frau von außergewöhnlicher Schönheit und Ausstrahlung, das musste Regin zugeben. Es war keine Überheblichkeit gewesen, dass Gundomar die Freier hatte anreisen lassen, statt seine Tochter wie eine Ladung Gewürze an den benachbarten Höfen anzubieten.
    Die Flügel des Burgtors wurden geöffnet, und eine große Menschenmenge, Wormser Bürger wie Hunnenkrieger, wartete schon dahinter. An die tausend Männer und Frauen waren gekommen. Auch sie gingen sofort auf die Knie.
    Kriemhilds Füße berührten den Torrahmen nicht. Wie es Pflicht war, blieb sie an der Schwelle stehen und wartete auf den Freier, der um ihre Hand zu werben gekommen war.
    Nun trat Etzel aus der Menge. Was Kriemhild an Anmut und Adel mitbrachte, hielt er an Mut und Tatkraft dagegen. Seine Augen blitzten, und sein Schritt war fest. Man hatte ihm erklärt, welchen Ablauf das Gesetz von Burgund verlangte, und zwei Schritte vor der Prinzessin blieb er stehen. Es war nur ihm erlaubt, Kriemhild in die Augen zu sehen.
    Regin war im Schatten des Vordachs der Schmiede stehen geblieben, um nicht wie die anderen Zuschauer den Blick abwenden zu müssen. Er sah den König und seine Söhne von hinten, ebenso die Prinzessin.
    Das ganze Land verfiel in Stille, um den Moment zu ehren. Selten waren wohl so viele Menschen an einem Ort, ohne dass auch nur das leiseste Geräusch zu hören war.
    Schließlich ergriff Kriemhild mit fester Stimme das Wort. »Etzel, Sohn von Mundzuk. Ihr seid gekommen, mich zu freien.«
    »Für mein Land - und für mein Leben«, antwortete der Hunnenprinz.
    »Ein prächtiges Land - und ein stolzes Leben«, fuhr Kriemhild fort. »Mit Euch den Kelch zu teilen war eine Ehre, die noch die kommenden Generationen des Hofes Burgund mit Respekt und Dankbarkeit erfüllen wird.«
    Regin runzelte die Stirn. Das klang verdächtig . . . unverbindlich. Er konnte sehen, wie Gundomar mit der Spitze des rechten Stiefels im Boden scharrte - das einzige Zeichen von Ungeduld, das er sich erlaubte. Es war unklar, wer nun etwas sagen musste. Etzel schien durch die Worte Kriemhilds verunsichert, und die Prinzessin stand nur da.
    Jemand hustete. Es war Gunther.
    »Gestern Abend spracht Ihr viel von meiner Ehre, Prinz Etzel«, ergriff Kriemhild nun endlich wieder das Wort. »So viel, dass ich mich zu fragen begann, ob ich im Namen dieser Ehre eine Bitte an Euch richten kann?«
    Etzel zog sein Schwert, und die Menge keuchte erschreckt auf. Aber er drückte es nur sanft mit der Spitze in den Boden und kniete dahinter nieder. »Man sagt, dass ein Hunnenwort noch nie gebrochen wurde. Was ist Euer Begehr?«
    Es war der Moment, in dem Kriemhild etwas tat, von dem keine Chronik aller Königreiche bisher zu berichten wusste: Sie kniete ebenfalls nieder, die Hände auf den Knien ruhend und den Kopf gesenkt. Das unbestimmbare Murmeln in der Menge wurde etwas lauter und drängte sich aus den hintersten Reihen nach vorn.
    »Wenn es mein Herz ist, das Ihr wollt, und wenn die Frau an Eurer Seite aus Liebe und nicht nur aus Pflicht Eure Kinder zur Welt bringen soll, dann nehmt meinen Segen und meine guten Wünsche für Euer Volk und kehrt heim nach Gran. Nicht weniger habt Ihr verdient.«
    Es waren Kriege geführt worden wegen kleinerer Leichtfertigkeiten, und in einem Herzschlag hatte Kriemhild aus den befreundeten Hunnen mögliche Feinde gemacht.
    Etzel blieb ganz ruhig sitzen, aber Regin konnte sehen, wie sich seine Muskeln anspannten. »Ihr lehnt mein Werben ab?«
    Gundomar und seine Söhne bedeuteten den umstehenden Soldaten mit wenigen Blicken, auf einen möglichst schnellen Rückzug

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