01 - Der Ring der Nibelungen
und kein Zittern in seiner Stimme verriet den Zweifel.
»Und nichts davon wäre genug, solange du nicht der starke König bist, zu dem mein Herz dich schon erkoren hat.«
Siegfried stand wieder auf. »Dann werde ich ein König sein.« Er sagte es so selbstverständlich, als hätte man ihm den Auftrag erteilt, einen Baum zu fällen.
Kriemhild atmete tief ein und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Siegfried, ich werde morgen zusammen mit meinem Vater den Bund zwischen den Burgundern und den Hunnen verkünden.«
»Dann werde ich Etzels Heerscharen niederkämpfen, um dich zu holen, wenn ich dereinst König bin«, sagte Siegfried ohne den Anflug von Humor. »Es ist einfacher, wenn du auf mich wartest.«
Kriemhild hatte gegen alle Vernunft gehofft, Siegfried würde die Ausweglosigkeit ihrer Liebe einsehen. »Du hast mein Herz schon gebrochen. Nun zerbrich nicht auch noch mein Leben, nur weil das Schicksal uns füreinander bestimmt, aber einander nicht gegönnt hat.«
Siegfried hatte seine Entscheidung getroffen, so närrisch sie auch sein mochte. »Du wirst auf mich warten - und ich werde König sein.« Er drehte sich um, schlug den Vorhang beiseite und packte das Seil, das vor dem Fenster baumelte.
Kriemhild kam nicht mehr dazu, ihm zu versichern, dass sie Etzel nicht mehr zurückweisen konnte. Dass sie sich mit dem Hunnenkrieger sehr respektvoll unterhalten hatte. Dass sein Interesse an ihr von Freundlichkeit und Würde geprägt war.
Dass Burgund auf dem Spiel stand.
5
Etzel und das Wort des Herzens
Seit nun schon einem Jahr lag über Burgund der Schatten des Drachen Fafnir. Siegfried und Regin hatten sich bald daran gewöhnt, dass in Worms die Lebensfreude nur gedämpft zu spüren war. An diesem Morgen jedoch war es noch deutlich schlimmer. Es herrschte eine gespannte Ruhe, als warte man auf die Nachricht vom Lager eines schwerkranken Mannes - oder vom Schlachtfeld.
Wie es Tradition war, würde Kriemhild an die Tore der Burg treten, um ihre Entscheidung zu verkünden. Schon nach den gestrigen Verhandlungen hatte sich in ganz Worms herumgesprochen, dass sie Etzels Angebot annehmen würde. Es bestand die Hoffnung, damit alle Probleme des Reiches auf einen Schlag zu lösen: Die militärische Schlagkraft würde gestärkt, der Kampf gegen Fafnir mit neuem Schwung geführt und auch der Weg für die Brautschau der drei Prinzen freigemacht. Nach zwei Jahren des Widerstands war die Prinzessin endlich so weit, ihren Prinzen zu wählen.
Siegfried stand missgelaunt in der Schmiede und kaute auf einem Stück Brot herum. Regin gab einem Schwert den letzten Schliff. Dann drehte sich der alte Schmied, dessen Jahre sich immer noch nicht in sein Gesicht gezeichnet hatten, zu seinem Ziehsohn um. »Willst du nicht nach draußen gehen? Das Volk versammelt sich sicher schon, um der Verkündigung zu lauschen.«
Siegfried hörte auf zu kauen. »Es kümmert mich nicht, was die Prinzessin zu sagen hat. Soll sie doch heiraten, wen sie will.«
Regin hob überrascht eine Braue, enthielt sich aber einer entsprechenden Bemerkung. »Jedenfalls wird endlich etwas gegen den Drachen unternommen. Ich glaube kaum, dass Gundomar seine Tochter im Schatten von Fafnirs Schwingen an Etzel übergeben will.«
Ein Trompetenstoß ertönte.
»Das ist das Zeichen«, erklärte Regin. »In wenigen Augenblicken wird die Prinzessin vor das Tor treten.«
»Du weißt sehr viel über das Leben bei Hofe«, sagte Siegfried, um das Thema zu wechseln.
»Die Jahre in Xanten . . . «, meinte der Schmied achselzuckend und wandte sich wieder dem Schliff des Schwerts zu.
Siegfried warf den Rest seines Brots aus dem Fenster, und sogleich kamen ein paar Hühner herbei, die daran herumpickten. »Aber warum willst du mir nicht sagen, was dich damals dort fortgetrieben hat?«
Regin seufzte. »Die Geschichte ist um so vieles kleiner als deine Neugier, Siegfried. Irgendwann wurde mir das Geklapper der Schwerter zu laut und die Stimme der Vernunft zu leise. Kriege endeten niemals im Frieden, sondern nur in der Vorbereitung des nächsten Feldzugs. Aber ich war für den Krieg nicht geschaffen - und ihn zu beobachten bereitete mir keine Freude.«
Siegfried hatte noch nie darüber nachgedacht, was Krieg bedeutete - geschweige denn, wofür es sich zu kämpfen lohnte. »Glaubst du, ich bin für die Schlacht geschaffen?«
Regin ließ das Schleifrad auslaufen. »Ich hatte gehofft, es wäre nicht so. Aber hier in Burgund . . . «
Er hielt
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