01 - Der Ring der Nibelungen
Versteck kann der Erbe von Xanten verzichten!«, entgegnete Laurens. »Nur wenn er die eigene Größe erkennt, wird sich sein Schicksal erfüllen -der Königssohn wird sein Reich von den Dänen zurückerobern!«
»Dein Gerede wird niemandem nützen, wenn du an Siegfrieds Leichnam trauerst«, sagte Regin. »Du hast deinen König und deine Königin verloren - ist es Hjalmars Blutdurst oder deiner, der Siegfrieds Opfer verlangt?«
Statt einer Antwort griff Laurens in einen Beutel, der neben ihm auf dem Boden lag. Er zog etwas heraus, das in schmutziges Leder gewickelt war, und warf das Gebinde Regin vor die Füße. »Wenigstens war es noch dort, wo wir vereinbart hatten. Als ich es fand, war mir klar, dass du Siegfried um sein Erbe betrogen hast.«
»Und du hast meine Spur bis nach Burgund verfolgt?«, fragte Regin spöttisch.
Laurens schüttelte den Kopf. »Ein glücklicher Zufall, von den Göttern eingefädelt. Einige von Siegmunds einstigen Heerführern hatten mich nach Worms geschickt, um Gun-domar um Hilfe für einen Aufstand gegen Hjalmar zu bitten.«
»Gundomar ist dem Drachen zum Opfer gefallen, ebenso sein Sohn Giselher«, berichtete Regin.
Laurens nickte. »Davon hörte ich bereits. Dann wird mir König Gunther sein Ohr schenken müssen.«
»Der Zeitpunkt ist schlecht gewählt«, warnte Regin. »Noch ist Gunther nicht König, und weder Volk noch Heer weiß er bedingungslos hinter sich. Hinzu kommt der Drache, dessen Vernichtung alle notwendige Politik überschattet. Du wärst besser beraten, dich um einen Pakt mit Mund-zuk zu bemühen.«
Beide Männer schienen sich nun wieder etwas zu beruhigen, und die gemeinsame Vergangenheit kühlte ihre Köpfe. Laurens wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. »Das täte ich - wenn es Mundzuks Reich wäre, dem der Überfall bevorstünde.«
Trotz ihres Zwists hatte Regin keinen Grund, an Laurens' Aufrichtigkeit zu zweifeln. »Hjalmar beabsichtigt, Burgund zu unterwerfen? Ist das sicher?«
»So sicher wie alles, was Kundschafter für Gold verraten«, schränkte Laurens ein. »Auch Hjalmar ist nicht verborgen geblieben, dass Burgund schwach und verwundbar ist. Ihn treibt die Hoffnung, durch den Sieg in der Fremde die Unruhe im Innern zu bannen. Auch fast zwanzig Jahre nach seinem Sieg über Xanten ist es ihm nicht gelungen, das Reich unter seiner Flagge zu einen.«
»Die Niederländer beugen sich nur einem der Ihren«, sagte Regin nicht ohne Respekt vor den Menschen, denen er einst gedient hatte.
»Einem der Ihren«, bestätigte Laurens. »Und wir wissen beide, wer es sein muss.«
Regin sah ein, dass sein Versteckspiel mit Siegfrieds Herkunft dem Ende entgegensah. Er hatte es gespielt, solange es ging. »Er ist nicht bereit.«
»Wenn er der Sohn seines Vaters ist, dann ist er bereit«, widersprach Laurens. »Es muss ihm nur klar werden.«
Siegfried stand auf dem Wehrgang der Burg, den Blick auf den Wald gerichtet, in dem Fafnir hauste. Es war still dort, als ruhe sich das Untier zufrieden von seinen Mordtaten aus.
Der junge Schmied war verdrossen, wütend und zugleich maßlos enttäuscht. Er hatte Kriemhilds Liebe ebenso verloren wie Regins Vertrauen. Dinge geschahen, die ihn betrafen - ohne dass er auch nur den geringsten Einfluss auf sie nehmen konnte. Der einfache Bauer konnte mehr über sein eigenes Los bestimmen als er.
Er hörte Schritte, und im Dunkel der Nacht erkannte er Regins gedrungene Gestalt, der sich zu ihm gesellte. »Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde.«
»Warum?«, fragte Siegfried mürrisch. »Weil hier der Platz für Hunde ist, die man aus dem Haus gejagt hat?«
Statt darauf einzugehen, deutete Regin zum Wald. »Den Blick in Richtung Abenteuer.«
»Zu dumm nur, dass das Abenteuer niemals in meine Richtung schaut«, murmelte Siegfried.
Regin ließ den Kopf hängen, als habe er auf eine andere Antwort gehofft. Dann hielt er Siegfried ein verdrecktes Bündel hin. »Dein Abenteuer ist dein Leben, Siegfried. Vielleicht hat Laurens Recht - vielleicht habe ich dein Leben vor dir verborgen.«
Siegfried nahm das schwere Bündel, dessen Leder hart und rissig war. »Was ist das?«
Regin legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es ist die Entscheidung, die ich bis heute für dich getroffen habe. Überlege es dir gut - wenn du den Knoten löst, wird der Morgen einen anderen Siegfried finden.«
An jedem anderen Tag, in jeder anderen Nacht hätte Siegfried lachend verzichtet. Er liebte sein Leben, und auch wenn er manchmal
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