01 - Der Ring der Nibelungen
Sehnsucht spürte, war er sich doch be-wusst, wie gut es ihm immer ergangen war.
Doch er dachte an Kriemhild, den Drachen, das Schicksal von Burgund - so viele Fragen, auf die er keine Antworten wusste. Er wog das schwere Bündel in der Hand, als würde es seine Entscheidung erleichtern. »Würde ich damit leben können, verzichtet zu haben?«
Es tat Regin gut, nicht mehr lügen zu müssen. »Nein. Wenn Laurens' Ankunft mir eines gezeigt hat, dann dies -das Schicksal ruft deinen Namen.«
Siegfried legte das Bündel auf die Wehrmauer und zog an den Riemen, die das alte Leder zusammenhielten. Der Knoten öffnete sich, und das steife Material blieb in seiner Form, als wollte es sich gegen die Preisgabe seines Geheimnisses wehren. Mit beiden Händen zerrte der junge Schmied das Leder auseinander, wobei es knirschte und brach.
Im Licht des Mondes war schwer zu erkennen, was zum Vorschein kam. Es war Metall. Eisen vielleicht. Zwei Stücke. Fein geschmiedet, glatt wie das Wasser in einem Kelch.
Er sah Regin verwirrt an, während seine Hände über die seltsam warmen Teile strichen. »Ein zerbrochenes Schwert?«
Regins Lächeln war gequält, als er antwortete. »Wenn es nur ein Schwert wäre - ich hätte keinen Grund gehabt, es dir zu verweigern. Aber es ist so viel mehr als eine Waffe. Es ist Nothung. Dein Erbrecht. Ein Schwert wie kein anderes. Das Schwert eines Königs.«
»Aber was hat das mit mir zu tun? Was soll ich damit anfangen?«
Regin legte Siegfried den Arm um die Schulter, wie er es lange nicht mehr getan hatte. »Du wirst es bald verstehen.«
Zuerst hatte Gernot geglaubt, es sei ein Pferd, dessen Hufe über das Pflaster im Hof klapperten. Aber der Ton war zu gleichmäßig, zu hart, und zu - laut?
Nach einigen vergeblichen Versuchen, trotz des Lärms weiterzuschlafen, setzte er sich verwirrt auf. Es war ein Hämmern, stetig und entschlossen. Metall auf Metall.
Gernot stand auf und ging zum Fenster. Von hier, ungedämpft durch schwere Burgmauern, konnte er es noch deutlicher hören. Und er sah das Licht aus der kleinen Schmiede kommen. Wie spät war es? Oder - wie früh? Sicher keine Stunde, in der das Schmiedefeuer geschürt und der Hammer geschwungen werden musste.
Unschlüssig stand er da, da er nicht wusste, was er tun sollte. In anderen Fenstern sah er ebenfalls Schatten. Gernot entschied sich, selber nachzusehen, was vor sich ging. Er warf sich einen Umhang über und trat in den Gang hinaus.
Er wäre fast mit Kriemhild zusammengestoßen, die im nur dürftig beleuchteten Korridor ihren Weg suchte.
»Kannst du mir erzählen, was dieser verrückte Schmied da unten treibt?«
Gernot zuckte mit den Schultern. »Er schmiedet, wenn ich das Geräusch zu deuten vermag. Für einen Schmied mag es verrücktere Dinge geben, die er tun kann.«
»Aber es ist die Stunde des Wolfes, in der außer der Nachtwache niemand in der Burg arbeiten muss - oder sollte!«
»Vor allem, da in zwei Tagen die Krönung Gunthers bevorsteht. Es wird dem Volk nicht gefallen, wenn der Hofstaat bei den Feierlichkeiten mehr mit dem Schlaf als mit der Begeisterung kämpft«, grinste Gernot. »Ich werde nachsehen.«
»Dann werde ich wieder in mein Gemach gehen und mir die Kissen gegen die Ohren pressen«, flüsterte Kriemhild, die bei jedem der Hammerschläge zusammenzuckte.
Sie machte sich auf den Weg, drehte sich jedoch noch einmal um. »Gernot?«
Ihr Bruder wollte sie ansehen, aber die Dunkelheit des Gangs hatte sie fast vollständig verschluckt. »Ja?«
»Ich wäre dir dankbar, wenn du mir berichten würdest, was in der Schmiede vor sich geht.«
Gernot nickte. Das Interesse seiner Schwester an dem jungen Schmied war ihm nicht entgangen, und hätte er an ihrem Pflichtbewusstsein gezweifelt - er hätte vermutet, dass sie Etzel seinetwegen abgewiesen hatte.
Als der junge Prinz auf den Hof trat, hatten sich schon mehrere Bedienstete und Soldaten dort eingefunden. Es wurde geflüstert, und so manche übermüdete Stimme verwünschte den lärmenden Schmied. Unter den Menschen entdeckte Gernot auch Regin, der in einer Ecke stand. Sein Gesicht verriet weniger Verwunderung als Sorge. Es war also eindeutig Siegfried, der wie um sein Leben den Hammer schwang.
Es hatte sich niemand in die Schmiede getraut, und so war Gernot der Erste, der die Tür öffnete. Das Knallen von Metall auf Metall war hier fast unerträglich und die Kohlen in der Esse so heiß, dass eine kleine Sonne im steinernen Trog zu brennen schien.
Im Schein
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