01 - Der Ring der Nibelungen
beendet mein Leben, was mir einiges Kopfzerbrechen ersparen würde.«
Hagen legte die Faust auf den Brustpanzer. »Mein König - mein Körper ist Euer Schild.«
»Das ist beruhigend, doch unnötig«, lachte Gunther und hielt den linken Arm mit dem Schild hoch, auf dem das stolze Abzeichen von Burgund prangte. »Ich weiß mich zu verteidigen.«
Der Ratgeber des Königs nickte und machte sich auf, um den Heerführern den Richtungswechsel zu befehlen. Er missbilligte Gunthers Leichtsinn und seinen Unwillen, für den schlechtesten Fall vorbereitet zu sein.
Und es war immer der schlechteste Fall, mit dem Hagen rechnete.
Siegfried langweilte sich. Die Offiziere, mit denen er ritt, hatten außer glorreich gewonnenen Schlachten kein Thema, und mit einfachen Soldaten war nicht zu reden, denn ihre Ehrfurcht vor ihm ließ sie verstummen. Er hoffte auf einen Zusammenstoß mit den Dänen, und sei es nur, damit endlich irgendetwas geschah.
Er zog am Zügel seines Pferdes, ließ sich etwas zurückfallen und scherte nach rechts aus, als er Gernot sah, der in seine Richtung ritt. Der junge Prinz war sicher nicht zum Helden geboren, aber Siegfried mochte seinen wachen Geist. »Prinz Gernot. Wie geht es Euch?«
Gunthers Bruder lächelte schmal. »Das Reiten ist mir nicht in die Wiege gelegt worden. Hoffentlich hat mein Hintern bald Hornhaut wie meine Füße, sonst sitze ich demnächst auf rohem Fleisch.«
Siegfried lachte. »Ihr solltet mehr Fleisch essen, um mehr davon auf den Knochen zu haben. Nicht nur Gäule wollen gut gefüttert sein.«
»Ich versuche eher, das Fleisch zu meiden«, erklärte Gernot. »Es ist . . . «
»Hagens Tochter, richtig?« Siegfried grinste freundlich. »Das dunkle Mädchen macht Euer Herz hell.«
Gernots Augen wurden groß. »Woher weißt du . . . ?«
Siegfried blinzelte verschwörerisch. »Wer selber liebt, der sieht die Funken besser. Und wenn ich bei den vielen Mahlzeiten, die ich mit dem Hofstaat eingenommen habe, nicht vollends falsche Blicke warf, dann ist es Hagens Tochter, die dem Fleisch nichts abgewinnt. Wie war doch ihr Name?«
»Elsa«, sagte Gernot. »Sie ist das wunderbarste . . . «
»Spart Euch die Worte für ihre Ohren«, winkte Siegfried ab. »Dort soll der Zauber wirken. Mein Herz sieht nur das Bild der einen.«
»Es ist kein Geheimnis bei Hofe, wen der heldenhafte Schmied verehrt«, sagte Gernot freundlich.
Siegfried sah ihn an. »Und weiß der Hof auch, wie die Prinzessin dazu steht?«
Nun war es der Prinz, der lachte. »Muss ich es sagen? In jeder Blume, in jeder Farbe, in jedem Lichtstrahl sieht meine Schwester dein Gesicht, Siegfried. Sie würde sterben, um mit dir zu leben - und leben, um mit dir zu sterben.«
Es salbte Siegfrieds Seele, das zu wissen. »Warum hat sie dann so wenig Verständnis für mein Erbe? Weiß sie nicht, dass ich nur für sie den Thron besteigen will?«
Gernot wurde wieder ernst. »Die Frauen sehen nicht den Sinn im Kriege. Und manchmal, wenn er mit Blut und Tod geritten kommt, geht es mir ebenso. Kriemhild weiß, was dich bewegt - aber ein lebendiger Schmied wäre ihr teurer als ein toter König.«
Siegfried nickte. »Und doch muss ich es tun.«
»Ich hoffe nur, dass die Schwerter ungezogen bleiben«, sagte Gernot. »Von den Söhnen Gundomars war ich immer der ungelenkste. Wenn es eine Schlacht gibt - meine ungeübte Klinge würde unfreiwillig den Dänen dienen.«
»Dann haltet euch hinter mir«, riet Siegfried. »Ich werde den Liebhaber von Elsa von Tronje schützen.«
Gernot errötete tatsächlich. »Wir sind nicht . . . ich meine, wir haben nicht . . .«
Siegfried verbeugte sich schnell, so weit der Pferderücken es zuließ. »Es tut mir Leid, Hoheit. Es war nicht angemessen, dergleichen zu behaupten.«
»Schon gut«, beruhigte ihn Gernot. »Es ist nur noch nicht an der Zeit gewesen. Und wenn ich dich um etwas bitten darf - beschütze nicht mein Leben auf dem Felde. Wenn du eine Klinge fängst, die meinem Leib zugedacht war, würde Kriemhild selber Sorge tragen, dass ich dem Schicksal Folge leiste.«
»Wie Elsa sicher auch, sollte es anders herum kommen«, bestätigte Siegfried.
Gernot zog bereits am Zügel, als ihm einfiel, weshalb er eigentlich gekommen war. »Ach, Siegfried - spürst du es schon?«
Der junge Krieger sah sich um, holte tief Luft und lauschte aufmerksam. »Nein, was sollte ich spüren?«
Der Prinz lächelte. »Unsere Kartenleser sagen, dass wir die Grenze vor kaum einer Stunde überschritten haben. Wir
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