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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Herz?«
    Kriemhild blickte wieder zum Horizont. »Das Herz mag dumm sein, aber dickköpfig ist es auch, und ehrlich. Solange der Soldat, dem es gehört, sein Schwert für deine Liebe führt . . . «
    Sie hielt inne und bemerkte mit einem Seitenblick, wie Elsa verschämt die Augen niederschlug.
    Vielleicht war es die Liebe zu Siegfried gewesen, die die Prinzessin so blind gemacht hatte, dass die offensichtliche Erklärung ihr erst jetzt zu dämmern schien. In ihrem Kopf ging sie die Ereignisse der letzten Wochen durch, zählte Blicke, Worte, versäumte Essen und verträumte Seufzer.

    »Du liebst . . . Gernot?«
    Die schnellen Tränen waren eine ebenso klare Antwort wie die schnellen Schritte, mit denen Elsa davonlief.
    Zum ersten Mal seit dem Auszug des Heers lösten sich Kriemhilds Gedanken von ihren eigenen Sorgen. Dieses zarte Mädchen liebte ihren Bruder? Die Verwunderung darüber wich schon bald dem Erstaunen, die Selbstverständlichkeit nicht erkannt zu haben, mit der Gernot und Elsa zusammengehörten. Gernot hatte eine weiche Seele, und wie Elsa hatte er unter einem harten Vater gelitten. Sie waren Träumer, alle beide, und wie es schien, hatten sie ineinander ihre Erfüllung gefunden. Doch so, wie die Prinzessin unter ihrem Stand liebte, so liebte Elsa weit darüber hinaus.
    Die Suppe - Kriemhild hatte wohl niemals ein Zeichen von so einfacher und reiner Liebe gesehen.
    Sie stand noch so lange auf dem Wehrgang, bis Land und Himmel ein schwarzes Tuch bildeten, das Burgund umschlang.
    »Siegfried«, flüsterte sie.
     
    Mit der Unvermeidlichkeit von Ebbe und Flut, von Tag und Nacht, von Sommer und Winter hatten die Heere von Dänemark und Xanten auf der einen Seite und Burgund auf der anderen einander gefunden. Auf beiden Seiten in schwer zu schätzender Zahl standen sie nur einen kurzen Ritt voneinander entfernt und schlugen ihre Zeltlager auf. Zwischen ihnen lag nur das große Feld, welches einst Siegmunds Blut getrunken hatte, von sattem Gras längst überwachsen.
    Es war ein Warten, ein Zögern und die Unsicherheit, wer wann zuerst das Heft ergreifen würde. Da kein ehrlicher Grund für einen Krieg war, suchte keine Seite ihn durch einen Angriff zu geben. Boten kreuzten die Wege, als sie den Königen Nachrichten brachten. Gunther versicherte, Dänemark nicht angreifen zu wollen. Hjalmar ließ fragen, warum eine friedliche Reise zehntausend Schwerter brauche. Die Antwort: Zehntausend Schwerter gegen zehntausend Schwerter.
    Siegfried war nervös, und angesichts der vielen Soldaten, die Gunther auf seine Bitte hin in Sold gestellt hatte, fühlte er sich dem Schicksal der Götter unterworfen. Was immer er bisher in seinem Leben getan hatte - er hatte es allein getan. Auf die Macht eines Heers angewiesen zu sein erschien ihm schwächlich und feige. Zweifel nagten an ihm, klopften von innen an seinen Schädel. Was geschehen war, er hatte es herausgefordert. Was geschehen würde, es lag in seiner Verantwortung. Er riskierte Krieg für ein Ziel, das nur eine Vision war, die auf tönernen Füßen stand. Was, wenn Xanten sich Siegmunds Blutlinie verweigerte? War er besser als Hjalmar, wenn er sich sein Recht im Kampf nahm? Xanten gab ihm ein Königreich - aber was gab er Xanten?
    Außerdem hatte er noch Regins Worte im Ohr - er war ein König, der sein eigenes Land nicht kannte, dem sein Volk wie ein ungreifbarer Schatten war.
    Er schlich eine Weile zwischen Zelten und Lagerfeuern umher, aß etwas Fleisch vom Knochen und trank den Honigwein, der aus den Schläuchen floss. Doch er setzte sich zu keiner Gruppe, suchte kein Gespräch. Schließlich entfernte er sich aus dem Schein der Flammen und band im Dunkel ein Pferd los.
    Was er vorhatte, war Provokation, Grund für den Krieg, den er zu vermeiden suchte. Doch seit er das Kribbeln gespürt hatte, als sie den Boden Xantens betreten hatten, trieb es ihn um. Er ritt nach Osten, einen leichten Bogen südwärts beschreibend, um etwaige dänische Patrouillen zu umgehen. Als er den Waldrand erreichte, den er bisher nur auf den Karten gesehen hatte, stieg er ab und knotete die Zügel an einen Baum.
    Die Mondscheibe stand hell am Himmel, und es tat Siegfried gut, seine Kraft im schnellen Lauf zu fordern. Er fühlte sich an Odins Wald erinnert, und geschmeidig übersprang er Wurzelwerk und große Steine. Mit gleichmäßigen Zügen sog er die kühle Abendluft ein. Manchmal hielt er inne, legte die Hand an einen Baum oder drückte den Fuß in die mit Moos bewachsene Erde. Es

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