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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fühlte sich gut an, vertraut -richtig.
    Er sah fahle Lichtpunkte durch das Laub und hielt darauf zu.
    Von Süden her brach er aus dem Unterholz auf die weite Ebene, in deren Mittelpunkt die Burg Xanten stand.
    Weder von einer Stadt umgeben noch von der baulichen Eleganz der Burg in Worms, wirkte die Stammburg der Xantener Könige seltsam fremdartig und abweisend, als habe eine gigantische Hand einen riesigen steinernen Würfel auf das Gras gesetzt, damit die Menschen sich ihre Zimmer, Türen und Gänge herausschlugen. Die Silhouette im Mondlicht wirkte endgültig, kalt und mürrisch.
    Ein paar Hütten verteilten sich um den brackig stinkenden Burggraben, der nur auf einer gewaltigen Zugbrücke überwunden werden konnte, wenn man sich nicht die Stiefel nass machen wollte.
    Siegfried sah Brocken aus dem Stein geschlagen, Teile der Zinnen eingestürzt. Keine Wachen patrouillierten, und die wenigen schwachen Lichter in den Fenstern schienen verklingende Reste von müdem Leben zu sein.
    Es wäre bei Tageslicht nicht klarer gewesen - Xanten war gelähmt, eine Burg in tiefstem Schlaf. Von den alten Herrschern verlassen, von den neuen nie gefordert.
    Als Siegfried im Gras auf die Knie fiel, Tränen auf den Wangen, fand er sein Recht jenseits des Blutes.
    Xanten brauchte ihn so sehr, wie er Xanten brauchte.
     
    »Nicht im Morgengrauen«, entschied Gunther nun endgültig. »Selbst wenn wir Hjalmar auf das Feld bestellten, sähe es nach einem Überfall aus. Diebe und Meuchelmörder schleichen im Zwielicht zur Tat. Wir werden uns nicht auf ihre Stufe stellen.«
    Hagen strich sich über den Bart. Er richtete die lederne Binde vor seinem juckenden toten Auge. »Diebe und Meuchelmörder sind wir nicht - aber ihre Dienste könnten wir nutzen.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Gunther, der im Schein der kurzen Fackeln, die das Königszelt mit Licht erfüllten, seltsam unwirklich schien.
    »Wenn Hjalmar sich zum Treffen bereit zeigt, wenn Siegfried ihn besiegt, wenn das dänische Heer dann die Waffen streckt - mein König, das Wort wenn fällt in unguter Häufigkeit. Ein paar gedungene Mörder in Hjalmars Zelt würden dem ein Ende machen. Das Ergebnis wäre das gleiche.«
    Gunther sah seinen Ratgeber entgeistert an. »Siegfried soll den Thron durch Meuchelei erringen?«
    »Wie die Hälfte der Herrscher unserer Zeit«, gab Hagen zu bedenken. »Es würde die Chancen auf einen schnellen Frieden mehren, solange Siegfried bereit ist, mit Macht den Thron zu halten. Nicht zu vergessen - sollte es eines Tages nötig sein, ihn von dort wieder zu vertreiben, wäre die Saat schon gesät.«
    Gunther trank den Wein direkt aus dem ledernen Schlauch. »Davon will ich nichts hören. Mein Wort . . . «

    »Euer Wort war, gegen Hjalmar zu ziehen«, unterbrach Hagen. »Und fürwahr, Ihr habt es gehalten. Wer kann Euch richten, weil Ihr die Aufgabe zu Ende bringt - für Siegfried?«
    »Ich höre meinen Namen!«, kam es plötzlich von draußen, und der Königssohn Xantens betrat eilig das Zelt. »Ich hoffe doch, es wird nur gut gesprochen.«
    Gunther sah Hagen an und beendete die Debatte mit einem strengen Blick. »Natürlich, mein Freund. Unsere Gedanken kreisen nur darum, wie wir dir zum Recht verhelfen können.«
    Der junge Krieger wirkte seltsam erhitzt. »Die Zeit der Gedanken ist vorüber - die Zeit der Taten klopft an unsere Herzen! Wenn Ihr mir den Vorschlag gestattet: Schickt gleich einen Boten ins Lager der Dänen. Zur Mittagszeit soll Hjalmar aufmarschieren, so, wie wir es tun werden.«
    Gunther nickte. »Den Krieg wird er nicht suchen. Das stimmt mich zuversichtlich für ein Gespräch unter Männern.«
    Siegfried packte seinen Freund am Arm. »Nein! Keine Debatten im kleinen Kreis! Mitten auf dem Felde - sein Heer im Rücken, unseres ebenfalls bereit! Krieger und Könige - Auge in Auge!«
    Der Herrscher von Burgund befreite sich aus Siegfrieds Griff. »Im Angesicht der Schwerter willst du mit ihm schachern, ihm womöglich drohen? Leichter scheint mir, einem Pferd die Nadel zu geben in der Hoffnung, es bleibe ruhig stehen!«
    Doch Siegfried ließ sich nicht abbringen. »Es ist unerlässlich, dass Hjalmar seine Truppen bringt - die meisten sind Xantener!«
    Gunthers sorgenvoller Blick fand Hagen, dessen Augen deutlich abrieten. Doch er nickte langsam. »Der Bote wird noch in der Stunde ausreiten.«
     
    Der anbrechende Tag tat für Siegfried seinen Dienst und verscheuchte den frühen Nebel. Wolken drängten sich grau und schwarz über dem

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