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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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deine Gier nach Rache nun gestillt, Brunhilde?«
    Die Königin trat heran, in stiller Neugier, und ihr Blick verriet Zärtlichkeit, als Siegfrieds tote Augen sie anklagten. »Kann es einen Zweifel geben, dass nun ein großer Krieger an der Seite der Walküren nach Walhall reitet? Der größte vielleicht?«
    »Es war nicht seine Zeit«, knurrte Gunther und streifte sich das blutverschmierte Hemd ab. »Er hätte hier viele große Taten vollbringen können, bevor dem Ruf seiner Götter zu folgen war. Und darum frage ich dich noch mal: Ist deine Gier nun gestillt? Oder fühlst du auch die Leere, die mir die Brust zusammenkrampft, das Herz zum steinernen Knoten presst?«
    Brunhilde hob den Blick, als erwache sie aus einem langen Schlaf. »Rache? Gunther, nur ein kleiner Geist wie deiner konnte glauben, dass es hier um Rache ging. Ich neidete Siegfried das Leben nicht - ich neidete es deiner Schwester. In dieser Welt war nicht vergönnt, was hätte sein sollen. Es lag an mir, die nächste schnell herbeizuführen.«
    »Welche nächste Welt?«, fragte Gunther überrascht.
    »Die Welt, in der Siegfried und ich vereint sind, Seite an Seite reitend«, antwortete Brunhilde mit einer Sanftheit in der Stimme, die Gunther nie zuvor gehört hatte. »Und so, wie du ihn dorthin gebracht hast, wirst du auch mir den letzten Dienst erweisen. Kämpfe.«
    Das Schwert sprang förmlich in ihre Hand, und mit einem kehligen Schrei stürzte sie auf Gunther zu, der kaum der Klinge auszuweichen mochte. Das Eisen schlug Funken auf dem Stein des Bodens. In blanker Todesangst sprang Gunther zur Seite, und in ebensolcher Panik griff er nach dem Dolch. Brunhilde kam über ihn wie ein Sturm, die Waffe hoch erhoben - doch als sie zögerte, stieß der König seine Klinge vor, und die Königin warf sich freudig darauf. Ihr Gewicht riss beide zu Boden, und der Körper der Isländerin lag schwer auf dem Herrscher Burgunds.
    Ihre Gesichter keinen Fingerbreit getrennt, nur den scharfen Dolch zwischen den Leibern, stöhnte Brunhilde erleichtert auf und schenkte Gunther das erste ehrliche Lächeln. »Siegfried und ich ... wir danken dir . . . «
    Entsetzt wand sich der König, als die sterbende Gattin ihm die Lippen zum ersten und letzten Kuss bot. Er schob sie von sich, und als ihr schlanker Körper auf den Rücken rollte, ritt ihre Seele bereits in Richtung Asgard, freudetrunken Siegfrieds Namen rufend.
    Gunther stand nicht auf, seine Beine ließen es nicht zu. Er kauerte auf dem Steinboden, den blutigen Dolch noch in der Hand. Wieder befleckte Blut seine Kleider, und wieder fühlte er die Leere. Hatte er die Menschen um sich in den Tod getrieben oder nur an den Tod verloren? War er eine Figur im Spiel grausamer Götter, die mit jedem Sieg zu leiden hatte? Gab es überhaupt noch einen Sieg?
    Er weinte, während ein irres Kichern sich seiner Kehle entrang. Es war das einzige Geräusch im Thronsaal, als die Soldaten ihn fanden.
     
     
13
     
Elsa und der Schatten der Väter
     

     
    Es war keine christliche Beerdigung. Brunhilde hatte klare Anweisungen hinterlassen, dass sie im alten Glauben ihren Körper an die Erde zurückgeben wollte. Und Kriemhild, als der Schmerz ihr endlich wieder erlaubt hatte, zwischen den Schluchzern zu sprechen, respektierte die Erziehung Siegfrieds, die ebenfalls von Flammen mehr hielt als von feuchtem Boden. Und so errichteten Soldaten zwei Feuerstätten, groß wie Häuser, erstmals, seit die Herrscher von Burgund sich zu Christus bekannt hatten. Schicht um Schicht wurden die Holzbalken verkantet, bis ihr Geflecht in doppelter Manneshöhe abgeschlossen war. Darauf lagen unter prächtig bestickten Decken Brunhilde und Siegfried vereint im Tod, auch wenn ihre Flammengräber mit zehn Schritten Abstand auf den Rhein blickten.
    Die Glocken der Kirche von Worms blieben still, und wie es Gunther verfügt hatte, blieben die Bürger innerhalb der Stadtmauern. Es war kein stolzer, froher Abschied, und der König empfand ihn als kaum mehr als eine bittere Notwendigkeit, die ihn nach zwei Tagen des Rausches aus den Armen des Rotweins getrieben hatte. Er stand, mühsam von Dienern rausgeputzt, neben Kriemhild, als die Sonne unterging. Sie hielten einander an den Händen, und Gunther stützte sich in der Berührung. Ein einziger Kreis aus Soldaten war um die Feuerstätten aufgestellt.
    Als sich der letzte Strahl der Sonnenscheibe hinter den Hügeln verkroch, verkündeten die christlichen Burgunder in alter Tradition den Göttern, dass stolze

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