01 - Der Ring der Nibelungen
lächelte. »Mein König, die größte Beute werdet Ihr machen, das versichere ich Euch.«
Brunhilde hatte die Trompete ebenso gehört wie die Hufe der Pferde, als die kleine Jagdgesellschaft die Burg verlassen hatte. Ohne dass man es ihr erzählt hatte, wusste sie, dass der Tag der Rache gekommen war. Der Tag, an dem Siegfried sowohl für ihre Liebe als auch für ihren Hass bezahlen würde.
Sie ließ einen der Diener kommen, den sie aus Island mitgebracht hatte. Der schreibkundige Bote brachte eine ausführliche Nachricht an Eolind zu Papier, die noch an diesem Tag mit schnellstem Pferd auf den Weg in Richtung Norden geschickt werden sollte. Dann sortierte sie ihre Kleider, polierte ihre Waffen und kämmte noch einmal ausgiebig das schwarze Haar. Die Krone Burgunds ließ sie achtlos liegen.
Schließlich nahm sie einen Stuhl, trug ihn auf den Balkon und setzte sich nieder. Sie hatte freien Blick auf den Wald, und ein kühler Wind wehte.
Brunhilde von Island schloss die Augen und wartete.
Gernot fand seine Schwester bei den Soldaten, die ihren umfangreichen Besitz auf Karren luden, um ihn später am Tage auf das Schiff zu bringen, das für die Abreise nach Xanten bereitstand. Sie war mit wachem Geist bei der Sache, aber ihre Augen verrieten die Schwäche ihres Herzens. Umso mehr erhellte es ihr Gemüt, als sie ihren Bruder sah. »Gernot! Ich habe dich so selten in diesen Tagen gesehen.«
Er umarmte sie, wollte ihr die Sorgen nehmen und konnte doch die eigenen kaum verbergen. »Kriemhild. Kann ich mit dir unter vier Augen sprechen?«
»Natürlich«, sagte sie. »Lass uns bei einem Spaziergang den Tag genießen.«
Sie gingen aus dem Burgportal und dann über die grünen Wiesen, die vor den Mauern von Worms lagen. Eine Weile lang genossen sie nur die Gegenwart des anderen, die unbelastet von höfischem Gezänk war. Schließlich ergriff Kriemhild das Wort. »Ich hoffe, du kommst nicht, um mich zu überreden, Siegfried zu verzeihen. Was geschehen ist, geht nur ihn und mich etwas an.«
Gernot schüttelte den Kopf. »Und so soll es sein. Doch du weißt ebenso gut wie ich, dass böses Gerede schlimme Taten nach sich ziehen kann. Nicht alles, was Siegfried getan hat, macht ihn bei Hof beliebt. Er braucht deine Unterstützung, deinen Halt.«
Kriemhild nahm Gernots Hand, als sie weiterschlenderten. »Siegfried geht seinen eigenen Weg. Und wer sollte sich ihm jetzt noch entgegenstellen?«
»Du weißt von Hagens Neid . . . «, begann Gernot vorsichtig.
Kriemhild unterbrach ihn lächelnd. »Selbst Hagen von Tronje müht sich redlich, zwischen uns zu vermitteln. Erst gestern kam er . . . «
Nun war es Gernot, der das Ende des Satzes nicht erwarten konnte. Er drückte fest die Hand seiner Schwester und drehte sie zu sich. »Hagen will vermitteln? Meine geliebte Schwester, Hagen spricht bereits von Mord! «
Sie ließ ihn empört los. »Gernot, was redest du da? Wer könnte so töricht sein, dem Helden des Volkes von Burgund Übles zu wollen?«
»Dem Helden, dessen Ruf und Wertschätzung der König neidet«, bekräftigte Gernot. »Kriemhild, ich spreche nicht von törichtem Geplapper am Waschzuber - ich war dabei, als Hagen von Tronje unseren Bruder bat, den Befehl für Siegfrieds Ermordung auszusprechen!«
Die Prinzessin wurde bleich, als alle Worte, die Hagen ihr am vorigen Tag gesagt hatte, noch einmal in ihren Ohren tönten. Sie hörte erst jetzt die Falschheit, die Niedertracht darin. »Und was ... was sagte Gunther?«
»Er hat das Ansinnen empört zurückgewiesen«, beruhigte Gernot sie. »Doch es beweist, wie brüchig die Bande noch sind. Ich bitte dich, Kriemhild, vertrage dich mit Siegfried, und sucht gemeinsam den dauerhaften Frieden mit Burgund.«
Wie schon so oft strichen ihre Finger zärtlich über seine Wangen. »Ich bin so froh, dein reines Herz in schwerer Zeit auf meiner Seite zu haben. Wenn er von der Schlacht gegen die Hunnen zurückkehrt, wird Siegfried sicherlich auch deine Freundschaft suchen.«
»Welche Schlacht?«, fragte Gernot misstrauisch.
»Gegen Mundzuks Mannen, am anderen Rheinufer«, erklärte Kriemhild. »Heute Morgen ritten die Männer los. Wie Hagen mir berichtet . . . «
»Ein Jagdausflug«, warf Gernot hastig ein. »Die Männer sind doch nur zur Jagd geritten. Ich selbst habe die Speere und Messer für die Beutetiere gesehen. Ihr Weg führte in den Wald, nicht zum Fluss.«
In den Geschwistern stieg gleichzeitig die böse Ahnung auf, und rasch fügte Kriemhild ihr
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