01 - Der Ring der Nibelungen
Krieger nun in Walhall Einzug halten würden. Sie entzündeten zwei Fackeln und ließen ihr Feuer an den hölzernen Gräbern fressen, die rasch, von Wind und Trockenheit getrieben, lodernd ihre Leichen priesen. Die Hitze dampfte Kriemhild die Tränen von den Wangen und Gunther den Alkohol aus dem Blut. Sie standen einsam, verzweifelt und in Schuld vereint.
Der König kniff die Augen zusammen, als er in den Flammen Gesichter tanzen zu sehen meinte. Es mussten Irrlichter sein, willkürliche Bilder, von Feuerzungen lästerlich erweckt. Aber - schrie Siegfrieds Gesicht ihn nicht im Verrat an, und lachte seine Brunhilde nicht über den Sieg, der in ihrem Tod lag? Und wer waren die kleinen Gestalten, die in Gelb und Grün zu hüpfen schienen, als gelte es ein Fest zu feiern?
»Gunther?«
Er spürte, wie die Hand seiner Schwester ihn drückte, und es fiel ihm auf, dass sein geschundener Leib wankte. Er mühte sich, Haltung zu bewahren, wie es erwartet wurde. »Ist es Brauch der alten Götter, zum Tode ein Gebet zu sprechen?«
Kriemhild schüttelte den Kopf. »Wozu noch? Was uns lieb und teuer war, ist uns genommen worden. Und auch deine Rache am Meuchelmörder Hagen lindert nicht meinen Schmerz. Alles schien an Siegfrieds Seite möglich - nun fällt mir selbst das Aufstehen schwer.«
Der König sah seine Schwester an. »Du kannst in Burgund bleiben, bis deine Seele Ruhe findet. Ich bin sicher, dass die besten Verwalter des Hofes Xanten in deinem Sinne führen werden.«
Sie nickte, erschöpft und dankbar.
Gunther blickte wieder auf die Flammen, die sein Gesicht erhitzten. Nur aus dem Augenwinkel sah er seinen Ratgeber, der sich neben ihn stellte und zufrieden lächelte. »Mein König.«
Der Herrscher von Burgund drehte den Kopf nur so weit, dass es nicht auffiel. Hagen von Tronje sah gesund aus und kräftig wie schon lange nicht mehr. Sein Spitzbart war sauber geschnitten, und im rosigen Gesicht funkelten zwei wachsame Augen. Gunther zischte seine Worte nur, um sie vor Kriemhild unter dem knisternden Knacken der Holzscheite zu verstecken. »Was wollt Ihr hier? Ist es ein böser Scherz? Ein Trugbild, zu verdanken schlechtem Wein?«
Hagen schüttelte erstaunt den Kopf. »Es ist die Pflicht derer von Tronje, dem Königshause Burgunds in schwerer Stunde beizustehen. Hattet Ihr ehrlich geglaubt, mein Tod würde mich von der edlen Aufgabe entbinden?«
So prächtig die Flammen von Siegfrieds und Brunhildes Scheiterhaufen waren, so armselig entledigte man sich Hagens Leiche in ihrem Schein, kaum hundert Schritte entfernt am Rhein. Der in Leinen gewickelte Körper wurde von Soldaten in ein kleines Boot geworfen und mit groben Steinen beschwert. Ein Soldat hackte mit der Axt ein Loch in das Holz, und sofort kämpfte sich Wasser hinein.
Elsa stand dabei, seltsam teilnahmslos. Auch ihre Hand war weder leer noch kalt, denn Gernot hielt sie, lieber bei ihr als beim Abschied seiner Schwägerin trauernd.
Der Soldat warf die Axt beiseite und drehte sich zu ihm um. »Hoheit, wollt Ihr den schändlichen Mörder den ewig dunklen Fluten übergeben?«
Sein Blick fiel dabei hasserfüllt auf Elsa, deren Stand als Waise kein Schutz vor solcher Bosheit war.
Gernot trat an das Ufer des Flusses und stieß mit dem Stiefel gegen das Boot, das knirschend ablegte. Dabei hatte es sich schon zum Drittel mit Wasser gefüllt und würde in Bälde sinken, wie es gedacht war.
Der Prinz nickte den Soldaten zu, die nach Erfüllung ihrer Pflicht nun zur Burg zurückkehren wollten. Bald stand er allein mit Elsa da, die Füße von dünnen Wellen angeleckt. Das Mädchen weinte nun doch eine Träne, und Ger-nots zarte Hand strich sie ihr fort. »Dein edles Herz trauert selbst um einen Mann wie ihn.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht seinen Tod betrauere ich, nur die Verachtung des Hofes. Auch wenn bewiesen ist, dass Hagen von Tronjes Seele niemals das Licht sah, so tat er doch alles nur für Burgund. Das ganze Leben lang galt sein Eifer nur diesem Land, das ihn nun wegwirft wie den Kadaver eines tollwütigen Hundes. Warum ist es nur seine letzte Tat, die zählt?«
Gernot konnte die Frage nicht beantworten, und er versuchte es auch gar nicht. Stattdessen legte er Elsa den Arm um die Schulter, um sie vor dem kühler werdenden Nachtwind zu schützen.
Als sich das Wasser über dem gesunkenen Boot beruhigt hatte und die Flammen auf dem Hügel in gierige Glut übergingen, stellte Elsa ihrem Prinzen jene Frage, die seit Hagens Tod drängend im Raum
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