01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
ein paar Tinkturen reichen, um die Wunden zu versorgen. Lape war zu geschockt, um sprechen zu können.
Stockend begann Efe ihren Bericht. Die beiden hatten schon einige Stunden geduldig vor ihren am Boden ausgebreiteten Waren ausgeharrt, jedoch nur Gemüse und Kräuter verkauft.
Von ihren Holzarbeiten, die für sie mehr bedeuteten als nur eine mögliche Geldquelle, waren sie jedoch keine einzige losgeworden. All ihre Kunstfertigkeit und Liebe lag darin.
„Endlich blieb ein junger Mann längere Zeit stehen“, erzählte Efe. „Er fragte uns, wer der Junge sei, den ich geschnitzt hatte. Ich sagte ihm, Gott habe meinen Sohn von seinem Leid erlöst. Aber ich sei überzeugt, dass er wieder zurückkomme auf diese Welt, um ein glücklicheres und besseres Leben zu führen. Da antwortete der Mann, dass es nicht richtig sei, Gottes Geschöpfe nachzubilden. Ich verstand nicht, was er meinte, aber er wollte es nicht erklären. Er befahl uns, alle Schnitzereien wegzupacken. Wenn wir das täten, dürften wir den Rest weiterhin feilbieten.“
„Seid ihr der Aufforderung dieses Mannes gefolgt?“, fragte ich. Ebenso wenig wie meine Gefährtinnen begriff ich, was Efe und Lape nach Ansicht des Fremden falsch gemacht hatten.
Meine Schwester schüttelte den Kopf. „Du hast die Madonna doch selbst früher auf dem Markt verkauft. Also boten wir sie weiterhin an. Später kam er zurück. Ein älterer Mann begleitete ihn.“ Sie zitterte am ganzen Leib, während sie weitersprach. „Dieser Mann trug einen Bart und einen weiten grauen Umhang sowie einen Turban. Er starrte auf uns herab. Schafft das weg!, befahl er uns. Lape fragte, ob irgendwo geschrieben stehe, dass Holzschnitzereien nicht verkauft werden dürften. Da wurde der alte Mann sehr zornig. Er sagte, dass er der Aufseher des Marktes sei und zu bestimmen hätte, was wir verkaufen dürften. Er stieß mit dem Fuß nach den kleinen Figuren, die Jo darstellten.“
Ein Weinkrampf hinderte Efe daran, ihren Bericht fortzusetzen. Nachdem wir sie beruhigt hatten, erzählte sie, was weiter geschehen war: Sie war aufgestanden und hatte den Mann beschimpft, dass er keinen Respekt habe vor dem Andenken an ihren toten Sohn. „Da wurde der Marktvorsteher richtig wütend. Er sagte: „Es ist zu eurem eigenen Besten, wenn ihr die Figuren vernichtet. Am Tag der Wiederauferstehung wird Gott jene Ungläubigen am härtesten strafen, die das Abbild seiner Schöpfung nachahmen. Denn sie sind stolz auf ihre Arbeit und glauben so groß zu sein wie Gott.“ Ich widersprach ihm: „Ich will nicht, dass mein Sohn vergessen wird. Jeder soll ihn kennen lernen.“
Der alte Mann ließ Efes Rechtfertigung nicht gelten. Er bückte sich nach einer der Madonnen und schlug ihr mit voller Wucht den Kopf ab. „Ihr Christen sollt eure Götzen nicht größer machen als den Glauben an Gott.“ Dann ging er auf die gleiche Weise mit dem Bildnis des kleinen Jo vor und herrschte meine Schwester an: „Wahre Unsterblichkeit kann nur Allah deinem Sohn gewähren.
Es ist seine Aufgabe, die wirkliche Größe eines Menschen zu erkennen, den seine Mitmenschen nicht wahrgenommen haben. Wenn du an Gott glaubst, so bewahre die Erinnerung an deinen Sohn in deinem Herzen auf.“
Nachdem er das gesagt hatte, zerstörten er und sein jüngerer Begleiter sämtliche Figuren. Efe und Lape versuchten vergeblich, ihn daran zu hindern.
Inzwischen hatten sich zahlreiche Menschen vor dem Stand der beiden versammelt; ein Handgemenge entstand. Am Ende fanden sich meine beiden
Schwestern blutend inmitten ihrer zerstörten Habe wieder. Erst nach einer Weile hatten sie die Kraft, sich aufzurappeln. Die am Bein verwundete Lape führte Efe, die kaum mehr sehen konnte. Die beiden brauchten Stunden für den Rückweg und wurden von der schnell hereinbrechenden Nacht überrascht.
Bisi begleitete ihre Tochter zu ihrem Bett im ersten Stock, die anderen halfen Lape. Schließlich waren nur noch Ada, Ngozi und ich übrig. „Ich verstehe es nicht“, gestand ich. „Was ist so schlimm daran, wenn jemand die Mutter Gottes und ein verstorbenes Kind nachbildet? Was geht das die Muslime an? Sie brauchen die Schnitzereien ja nicht zu kaufen.“
Mama Ngozi hatte während Efes Bericht kein einziges Wort gesagt. Auch jetzt wirkte ihr Gesicht verschlossen. „Schwester Ada, du hast gesagt, die Radikalen würden nicht den Weg zu uns finden“, meinte sie leise. „Es tut mir so Leid für Efe und
Lape, dass sie diese Gewalt erleben mussten. Sie haben nur
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