01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
ihr nachblickte, dachte ich, dass sie sich ziemlich rasch in eine Afrikanerin verwandelt hatte. Nur ihr fester, schneller Gang verriet, dass unter der Kleidung eine zu allem entschlossene Deutsche steckte. Sie war die Einzige von uns, die sich nicht unterkriegen ließ.
Meine scheue Schwester Efe, die innerhalb so kurzer Zei den dritten Schicksalsschlag verkraften musste, drückte ihr Bewunderung für Magdalenas Stärke stellvertretend für uns s aus: „Sind die Deutschen denn alle so hart im Nehmen?“
Der Schock des Erlebten ließ irgendwann langsam nach Doch die Chance zu einem Neuanfang, alles gar größer wieder aufzubauen, als es gewesen war, erforderte die vorausschauende Energie eines gesunden Menschen wie Magdalena. In mir war diese Kraft nicht; die Zerstörungen verdeutlichten mir stattdessen meine Grenzen. Ich wollte keine neue Heilstation aufbauen; ein Neuanfang musste anders aussehen. Kleiner, bescheidener, nur noch auf unsere Verhältnisse zugeschnitten. Es war wie einst mit Musas Welpen: Ich konnte nur Hope retten, nicht den ganzen Wurf.
Ich hatte den Compound seit dem Angriff nicht verlassen. Es war zwar ringsum alles ruhig geblieben, dennoch hatte ich Angst davor, neue schreckliche Entdeckungen zu machen. Wenigstens in den Kräutergarten musste ich gehen.
Eine Woche war vergangen, seitdem ich die Frauen und Kinder zum letzten Mal mit dem stärkenden Tee versorgt hatte.
Die ganz kleinen Kinder husteten, andere bekamen Schnupfen. In den viel zu beengten Wohnverhältnissen breitete er sich rasend schnell aus, griff bereits die ersten Erwachsenen an. Mit einem neuen, von Bisi provisorisch aus Raphiabast gefertigten Heilerinnenbeutel zog ich los, um die entsprechenden Zutaten zu besorgen. Auf dem Weg zum Garten lief ich über unsere nicht mehr gepflegten Felder, die mir klar machten, dass die Folgen des Unglückstags wesentlich schlimmer waren, als ich bislang angenommen hatte. Außer Magdalena hatte sich niemand mehr hinausgewagt.
Meine Naturapotheke hatte meine lange Abwesenheit ebenso wenig verziehen. Wildwuchs griff überall um sich. Die harte Arbeit tat mir trotzdem gut. Jedes Unkrautbüschel, das ich auf den Haufen warf, glich einem Stück Enttäuschung, von
dem ich mich befreite. Jeder wilde Trieb, den ich abschnitt, ermahnte mich, auf den Weg der Heilerin zurückzufinden. An diesem Nachmittag verteilten Efe und ich zum ersten Mal wieder den wichtigen Tee. Zwar fehlten zwei die Immunabwehr stärkende Bestandteile, doch ich hoffte, dass allein von diesem ersten Anzeichen der Normalität ein positives Signal ausging. Am Abend kehrte Magdalena wohlbehalten aus Jos zurück. Sie berichtete, dass nur einige Viertel der Stadt noch zu meiden waren. Sie hatte eingekauft, so viel sie tragen konnte. Vor allem die wichtigen kleinen Gerätschaften, mit denen ich meine Medizin zubereite, waren ein Segen.
Außerdem hatte sie ein Mobiltelefon erstanden. Sie hatte es in Jos sofort ausprobiert, um ihre Tochter Kati in Amerika anzurufen. Jetzt erzählte sie mir, dass eine Woche zuvor muslimische Attentäter das World Trade Center in New York zerstört und das Verteidigungsministerium der USA angegriffen hatten.
Plötzlich erkannte ich, dass unser eigenes Schicksal in Zusammenhang mit dem Geschehen in Teilen der Welt stand, von denen ich nicht mal eine Vorstellung hatte. Glücklicherweise war Kati viele Tausend Kilometer von den Terroranschlägen entfernt gewesen.
Leider hatte meine nicht an Afrika gewöhnte Schwester bei ihrer Neuerwerbung etwas Entscheidendes nicht bedacht: Obwohl sie mit ihrem Handy rings um unser Haus sämtliche Standorte austestete, bekam sie kein Netz. Somit blieb das Gerät ein uneingelöstes Versprechen auf Anschluss an die weite Welt.
Zumindest als liebevoll behandeltes Spielzeug war es jedoch sehr begehrt und piepte wundervoll. Magdalena hatte außerdem ein kleines Radio erstanden, das jenes beim Feuer zerstörte ersetzte. Zunächst war der kleine Kasten ein bestauntes Wunder, mit dem sich tatsächlich drei unterschiedlich stark rauschende Sender empfangen ließen, zu deren Musik die Kinder vergnügt tanzten.
Wir lernten schnell, dass Fortschritt nicht immer ein Gewinn ist; zumindest wenn man Gäste im Haus hat, für die Radio und Mobiltelefon Neid erweckende Gegenstände sind. Zunächst bat Ngozis Tochter meine Schwester noch recht höflich um Geld, damit sie ihr Haus wieder aufbauen könne.
Magdalena kam etwas ratlos zu mir. „Wie viel soll ich Rose denn geben? Ich kann ihr
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