01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
Vernunft kommen, durften wir niemals verlieren. Wir stellten das Kreuz neben die Eingangstür. Wer immer es ansah oder das Haus verließ, dem war es eine Mahnung zum Neuanfang.
Da sämtliche Heilerwerkzeuge unbrauchbar oder ganz verbrannt waren, musste ich mich mit Feldgerät und Haushaltsmessern behelfen, die ich jedoch zuerst den Elementen weihen musste, bevor ich sie ihrem neuen Zweck zuführen durfte. Meine Gefährtinnen schnitzten aus Ästen Mörser, fertigten aus Kokosschalen Behälter und aus Kürbissen Kalebassen. Kannen und Tiegel setzten ihrer Handwerkskunst naturgemäß Grenzen.
Darum beschloss Magdalena, nach Jeba zu gehen, um dort in Erfahrung zu bringen, ob es bereits wieder Waren zu kaufen gab. „Ich muss es einfach versuchen“, sagte sie. „Du brauchst
so unendlich viele Dinge, die hier nicht hergestellt werden können.“ Nach wenigen Stunden kehrte sie zurück. „Es ist sinnlos. Die Geschäfte sind geschlossen, die Menschen sind nicht zurückgekehrt. Nur ein paar fliegende Händler verkaufen Waren zu absolut unverschämten Preisen.“ Wenigstens zwei Teekannen hatte sie mitgebracht. Und eine Erkenntnis: „Wir müssen das Leben hier auf andere Beine stellen. Unser Neubeginn muss anders aussehen als zuvor.“ „Wie meinst du das?“, fragte ich.
„Wir leben hier viel zu rückständig. Die Gewalt hat uns total überrascht. Weil wir abgeschnitten sind von allem, was ich zum Beispiel aus Deutschland kenne. Das fängt damit an, dass dieses Telefon in der alten Bibliothek nicht funktioniert.“
„Die Leitung ist vor Jahren zerstört worden. Es kostet ein Vermögen, eine neue legen zu lassen“, erklärte ich.
„Es gibt inzwischen Mobiltelefone“, entgegnete sie. Ich ließ mir erst mal erklären, was das ist: ein Handy.
„Außerdem brauchen wir ein Auto“, fuhr meine deutsche Schwester fort, schränkte aber gleich ein: „In Jeba ist weder das eine noch das andere zu bekommen. Dafür muss ich wohl nach Jos fahren.“
Ich glaubte, nicht richtig zu hören. „Das ist viel zu gefährlich!“, widersprach ich. Und dann setzte ich hinzu: „Es ist ja nicht so, dass du Unrecht hast. Aber wer soll das alles bezahlen?“
Sie verschwand und kehrte mit einer kleinen Plastikkarte zurück, von der sie mir erklärte, dass dieses unscheinbare Stück Bargeld sei. „Ich habe alle meine Dokumente noch am Tag meiner Ankunft in der alten Bibliothek verwahrt.“ Sie zeigte mir ihren Pass und die Kreditkarte. „Mehr als das ist mir nicht geblieben.
Doch das reicht.“ In unserer Gemeinschaft sind solche Mittel des - inzwischen kenne ich den Ausdruck - bargeldlosen Zahlungsverkehrs selbst heute weitgehend unbekannt.
Nachdem Magdalena mir all das erklärt hatte, was in ihrer Heimat schon Schulkinder wussten, begriff ich zumindest,
dass auch „unbares“ Geld irgendwoher kommen musste. „Du kannst doch nicht all das für uns bezahlen, Magdalena. Das ist viel zu teuer“, protestierte ich.
Sie blieb gelassen. „Doch, das kann und werde ich. Ich bin gekommen, um zu helfen. Ich bin ein Teil eurer Gemeinschaft geworden. Du glaubst doch nicht, ich kann in diesem Augenblick tatenlos zusehen und mich darüber freuen, dass mein gespartes Geld sicher auf der Bank liegt. Jetzt wird es gebraucht und nicht irgendwann. Du hattest mir mal von dieser Händlerin erzählt, bei der du Mutters Kleidung verkaufen konntest“, berichtete meine couragierte Schwester. „Die will morgen gemeinsam mit zwei anderen Händlerinnen nach Jos aufbrechen. Diesen dreien werde ich mich anschließen.“
„Die wollen wirklich nach Jos fahren?“, stammelte ich entgeistert.
Magdalena lächelte verschmitzt. „Na ja, ich habe ihrer Entscheidungsfreudigkeit etwas nachgeholfen. Für die Kosten komme ich auf, sobald ich eine Bank gefunden habe. Dafür werden sie mir helfen, mich zu orientieren.“
„Und wie kommt ihr dorthin?“
„Auf der Ladefläche eines Lastwagens“, verkündete meine Schwester. Ich lobte schüchtern ihre Unerschrockenheit. Da setzte sie hinzu: „Meine Malariatabletten sind übrigens auch verbrannt.“ Ich konnte keinen Zusammenhang zwischen Lastwagen, Jos und Malariaprophylaxe erkennen; die mutige Magdalena erklärte mir auch den. „Ich vertraue ab sofort deinen Heilkünsten und du meinem Organisationstalent. Okay?“
Am nächsten Morgen zog Magdalena los. Da ihre eigene Garderobe bis auf jene Stücke verbrannt war, die sie im Unterricht getragen hatte, lieh sie sich unsere afrikanischen Tücher. Während ich
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