Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
Kelly direkt vor ihm zu weinen begann, verstand er die Welt nicht mehr. Aber vielleicht ergab sich jetzt eine Möglichkeit, seine mißliche Lage zu ändern. »Tut mir leid, Mann«, sagte Billy mit einer Stimme, die seine Worte Lügen strafte. »Ich meine, Sie haben eben Pech gehabt.«
    Pech gehabt? Kelly schloß die Augen. Herr im Himmel, sie hat mich beschützt. Und das, nachdem ich sie so enttäuscht habe. Obwohl sie nicht wußte, ob ich überhaupt noch lebe, hat sie gelogen, um mich zu schützen! Das war mehr, als er ertragen konnte, und ein paar Minuten lang ließ Kelly sich einfach gehen. Aber selbst das erfüllte einen ganz bestimmten Zweck. Als Kelly einige Zeit später seine Tränen trocknete, wischte er mit ihnen jedes menschliche Gefühl fort, das er für seinen Gast vielleicht noch verspürt hatte.
    Kelly stand auf und kehrte ans Kontrollpult zurück. Er wollte diesem widerlichen Halunken nicht länger ins Gesicht sehen. Womöglich hätte er dann die Beherrschung verloren, und das durfte er nicht riskieren.
    »Tom, ich glaube, du hast doch recht«, sagte Ryan.
    Dem Führerschein nach - das war alles bereits überpüft: keine Festnahme, aber eine lange Liste mit Verkehrsverstößen - war Richard Oliver Farmer vierundzwanzig. Älter würde er auch nicht werden. Gestorben war er an einem einzigen Messerstich in die Brust, durch das Rippenfell mitten ins Herz. Aufgrund der Form der Wunde - normalerweise schlossen sich derartige traumatische Wunden wieder, so daß sie für den Laien nur noch schwer zu erkennen waren mußte man annehmen, daß der Täter die Klinge so weit gedreht hatte, wie es der Abstand zwischen den Rippen erlaubte. Es war eine große Wunde, wahrscheinlich von einer Klinge mit annähernd fünf Zentimetern Breite. Aufschlußreicher war allerdings ein zusätzliches Indiz.
    »Nicht besonders klug«, stellte der Gerichtsmediziner fest. Ryan und Douglas nickten. Mr. Farmer hatte ein weißes Oberhemd mit verdeckter Knopfleiste getragen, und am Türknauf hatte noch sein Anzugsakko gehangen. Der Mörder hatte das Messer an dem Oberhemd abgewischt. Dreimal, so schien es, und einmal hatte er dabei mit dem Blut des Opfers einen säuberlichen Abdruck der Klinge hinterlassen. Der Tote trug zwar einen Revolver in seinem Gürtel, hatte aber offenbar keine Möglichkeit mehr gehabt, ihn einzusetzen. Ein weiterer routinierter Mord, bei dem das Opfer überrascht worden war, doch diesmal weniger umsichtig ausgeführt. Douglas wies mit dem Kugelschreiber auf die Flecken.
    »Wissen Sie, was das ist?« Diese Frage war rein rhetorisch, und er beantwortete sie gleich selbst. »Ein Ka-Bar, das reguläre Kampfmesser der Marinesoldaten. Ich besitze selbst eins.«
    »Und ganz schön scharf«, ergänzte der Mediziner. »Ein außergewöhnlich sauberer, fast schon chirurgischer Schnitt. Muß das Herz praktisch in zwei Teile zerlegt haben. Äußerst akkurat angesetzt, meine Herren, in der exakten Horizontalen, damit es nicht von den Rippen abgelenkt wurde. Die meisten Leute denken, das Herz sitzt links. Unser Freund wußte es besser. Nur ein einziger Stich. Der Kerl kennt sich aus.«
    »Also haben wir noch eins, Em. Gewaltverbrechen mit Waffe. Unser Freund hat sich eingeschlichen und ihn so schnell -«
    »Ja, Tom, inzwischen glaube ich, du hast recht.« Ryan nickte und ging in den ersten Stock zu den anderen Beamten. Im vorderen Schlafzimmer hatten sie ein Häufchen mit Männerkleidung, eine Stofftasche mit einer Unmenge Bargeld, eine Pistole und ein Messer gefunden. Außerdem eine Matratze mit Flecken von Samenflüssigkeit, zum Teil noch feucht. Und eine Damenhandtasche. Es gab also genügend Hinweise, denen die jüngeren Beamten nachgehen konnten. Die Blutgruppen der Samenflüssigkeit. Erkennungsdienstliche Behandlung der Spuren der drei Personen - zumindest vermuteten sie, daß drei Personen hier gewesen waren. Draußen stand sogar ein Auto, das sie sich vornehmen konnten. Endlich mal ein ganz normaler Mordfall. Fingerabdrücke konnten sie hier wahrscheinlich überall finden. Die Fotografen hatten Dutzende Rollen Film verknipst. Doch für Ryan und Douglas war die Angelegenheit auf seltsame Weise bereits erledigt.
    »Kennst du diesen Farber drüben am Hopkins-Krankenhaus?«
    »Ja, er hat mit Frank Allen am Gooding-Fall zusammengearbeitet. Ich habe mit ihm einen Termin vereinbart. Er hat wirklich Ahnung«, bestätigte Douglas. »Ist zwar ein bißchen komisch, aber er weiß, wovon er spricht. Heute nachmittag muß ich

Weitere Kostenlose Bücher