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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Rand gezogen hatte, schob Kelly den Deckel vor und schloß die Bolzen. Dann schaltete er das Licht aus und ging nach draußen. Er brauchte jetzt etwas zu essen und ein paar Stunden Schlaf. Billy sollte ruhig warten. Das würde es Kelly nur leichter machen.
    »Hallo?« Ihre Stimme klang sehr besorgt.
    »Hallo, Sandra, hier ist John.«
    »John! Was ist passiert?«
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie meinen Doris? Sie schläft jetzt«, berichtete Sandy.
    »John, wer - ich meine, was ist mit ihr geschehen?«
    Kelly klammerte die Hand fester um den Telefonhörer. »Sandy, ich möchte, daß Sie mir gut zuhören. Was ich jetzt sage, ist sehr wichtig.«
    »Gut, schießen Sie los.« Sandy war in der Küche und starrte auf ihre Kaffeetasse. Draußen spielten die Nachbarskinder auf einem Stück Brachland Baseball. Die tröstliche Normalität, die dieser Szene innewohnte, schien ihr plötzlich sehr fremd. Unsinn!
    »Erstens dürfen Sie niemandem erzählen, daß Doris bei Ihnen ist. Am allerwenigsten der Polizei.«
    »John, sie ist verletzt, sie braucht ihre Pillen, und zu allem Überfluß hat sie womöglich noch ernste gesundheitliche Schäden. Ich muß -«
    »Gut, Sam und Sarah. Aber sonst niemand. Haben Sie verstanden Sandy, niemand außer den beiden. Sandy... «
    Kelly hielt inne. Es fiel ihm schwer, die folgenden Worte auszusprechen, aber die Wahrheit mußte auf den Tisch.
    »Sandy, ich habe Sie in Gefahr gebracht. Die Leute, die Doris so zugerichtet haben, sind die gleichen -«
    »Ich weiß, John. Das habe ich mir selber schon gedacht.«
    Das Gesicht der Krankenschwester zeigte keine Regung, obwohl sie die Bilder von Pamela Starr Maddens Leiche ebenfalls gesehen hatte. »John, Doris sagte, daß Sie jemanden getötet haben.«
    »Ja, Sandy, das habe ich.«
    Sandra O'Toole war nicht weiter überrascht. Sie hatte schon vor ein paar Stunden die richtigen Schlußfolgerungen gezogen. Es aber von ihm selbst zu hören, war dann doch noch einmal etwas anderes - vor allem wegen der Art, wie er darüber sprach. Ruhig und sachlich. Ja, Sandy, das habe ich. Hast du den Müll rausgebracht? Ja, Sandy, das habe ich. 
    »Sandy, diese Leute sind sehr gefährlich. Ich hätte Doris auch dort zurücklassen können - aber das habe ich einfach nicht fertiggebracht. Sie sehen ja selbst, was die -«
    »Ja.« Es war lange her, daß sie in der Notaufnahme gearbeitet hatte, und so hatte sie beinahe vergessen, zu welch schrecklichen Dingen Menschen fähig waren.
    »Sandy, es tut mir leid, daß -«
    »John, das ist nun mal passiert. Ich werde damit fertig.« Kelly schwieg eine Weile. Ihre Stimme gab ihm Kraft.
    Vielleicht war das der Unterschied zwischen ihnen. Er führte einen Feldzug, suchte Menschen, die Schlechtes taten, und rechnete mit ihnen ab. Aufspüren und zerstören. Sie hingegen wollte instinktiv schützen, und es dämmerte dem früheren SEAL, daß sie die Stärkere von ihnen beiden war.
    »Ich muß dafür sorgen, daß sie medizinisch versorgt wird.« Sandy dachte an die junge Frau, die in ihrem Schlafzimmer lag. Sie hatte ihr beim Ausziehen geholfen und entsetzt festgestellt, daß ihr Körper von Malen übersät war, von den Spuren grausamer körperlicher Mißhandlungen. Am schlimmsten waren jedoch ihre Augen, tot und ohne einen Funken des Widerstands, der selbst noch in jenen Patienten gelegentlich aufschimmerte, die den Kampf gegen den Tod bereits verloren hatten. Trotz all ihrer Jahre auf der Intensivstation wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, daß man einen Menschen mit voller Absicht zerstören konnte, durch bewußten, gezielt eingesetzten Sadismus. Sandy war klar, daß die Aufmerksamkeit dieser Täter nun möglicherweise auch auf sie gelenkt worden war, doch größer als ihre Angst vor ihnen war ihre Abscheu.
    Kellys Gefühle waren genau entgegengesetzt. »Gut, Sandy, aber Sie müssen mir versprechen, daß Sie vorsichtig sind.«
    »Das werde ich. Ich hole Dr. Rosen.« Sie schwieg einen Moment lang. »John?«
    »Ja, Sandy?«
    »Was Sie da tun... es ist falsch, John.« Sie haßte sich für diese Worte.
    »Ich weiß«, antwortete Kelly.
    Sandy schloß die Augen. In ihrer Vorstellung sah sie noch immer die Kinder, die vor ihrem Haus Baseball spielten. Dann sah sie John, wo immer er auch war. Sie wußte, welchen Gesichtsausdruck er in diesem Augenblick gerade hatte. Sie wußte auch, was sie als nächstes sagen mußte, und holte tief Luft.
     »Aber es macht mir nichts aus, John, jedenfalls nicht mehr. Ich kann

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