01 - Gnadenlos
Schraube locker!
Die USS Ogden war ein neues Schiff, oder doch beinahe neu, denn sie war erst 1964 aus den Hallen der Marinewerft New York vom Stapel gelaufen. Mit ihren knapp zweihundert Metern sah sie ziemlich seltsam aus. Zwar hatte das Vorderteil halbwegs normale Aufbauten und acht Geschütze, um angreifende Flugzeuge zu stören, aber die hintere Hälfte war oben flach und unten hohl. Der flache Teil diente als Hubschrauberlandeplatz, und direkt darunter befand sich ein Brunnendeck, das geflutet werden konnte, damit von dort aus Landungsboote operieren konnten. Sie und ihre elf Schwesterschiffe waren ganz darauf ausgerichtet, bei Landeunternehmen Unterstützung zu leisten, um Marinesoldaten für einen Angriff mit Amphibienfahrzeugen an den Strand zu bringen. Dieses Vorgehen war in den 20er Jahren erfunden und in den Vierzigern vervollkommnet worden. Doch die amphibischen Schiffe der Pazifikflotte waren nun ohne Auftrag - die Marinesoldaten waren ja schon gelandet, im allgemeinen in gecharterten Düsenjets auf normalen Flughäfen -, und deshalb wurden einige der ›Amphis‹ für andere Aufträge umgerüstet. So auch die Ogden.
Kräne hievten eine Reihe von Lastzügen auf das Flugdeck. Als sie verstaut waren, brachten Gruppen auf dem Deck verschiedene Funkantennen an. Weiteres Gerät dieser Art wurde an den Aufbauten festgeschraubt. Alle Arbeiten wurden offen ausgeführt - ein 17 000-Tonnen-Kriegsschiff läßt sich einfach nicht so leicht verstecken -, und so trat deutlich zutage, daß die Ogden, wie auch zwei weitere Schwesterschiffe, in eine schwimmende Bühne für das Abfangen elektronischer Geheiminformationen verwandelt wurde. Sie dampfte aus der Marinebasis San Diego, gerade als die Sonne unterging, und verließ den Hafen ohne Eskorte und ohne das Marinebataillon, das sie ihrer Bestimmung nach aufnehmen konnte. Ihre Navy-Besatzung, bestehend aus dreißig Offizieren und vierhundertundneunzig Berufssoldaten, machte sich an ihre routinemäßigen Überwachungsaufgaben, führte Probeläufe durch und war allgemein mit dem beschäftigt, wofür sich die meisten extra zur Navy gemeldet hatten, statt zu riskieren, daß sie das Los bei einer Einberufung sonstwohin schickte. Bei Einbruch der Dunkelheit war die Ogden bereits am Horizont verschwunden, und ihr neuer Auftrag war einigen interessierten Kreisen mitgeteilt worden, von denen nicht alle der Flagge, unter der sie fuhr, freundlich gesonnen waren. Mit all diesen Lastzügen an Bord und einer Unzahl von Antennen auf dem Flugdeck, die wie ein abgebrannter Wald aussahen - und vor allem ohne die Marinesoldaten -, würde sie niemandem direkt Schaden zufügen. Das wurde allen sonnenklar, die das Schiff gesehen hatten.
Nach zwölf Stunden, zweihundert Seemeilen weiter weg, stellten Bosun's Mates Gruppen aus den an Deck Beschäftigten zusammen und beauftragten einige ziemlich verwirrte junge Männer damit, alle Lastwagen bis auf einen loszumachen - sie waren alle leer - und alle Antennen auf dem Flugdeck abzubauen. Die an den Aufbauten sollten an Ort und Stelle bleiben. Die Antennen wurden als erste in die geräumigen Materialbunker geschafft. Danach wurden die leeren Lastzüge weggeschoben, und das Flugdeck war wie leergefegt.
In der Marinebasis Subic Bay sah der kommandierende Offizier der USS Newport News mit seinem Stellvertreter und dem Artillerieoffizier die Aufträge für den kommenden Monat durch. Seinem Kommando unterstand einer der letzten echten Kreuzer der Welt, der mit unvergleichlichen Geschützen bestückt war. Sie funktionierten halbautomatisch, und ihr Pulver wurde nicht in lockeren Beuteln, sondern in Messingkartuschen geladen, die sich nur in der Größenordnung von denen unterschieden, die ein normaler Freizeitjäger in seine Winchester .30-30 steckte. Bei einer Reichweite von beinahe zwanzig Meilen konnte die Newport News erstaunliche Salven abfeuern, was ein Bataillon der NVA sehr zu seinem Leidwesen gerade vor zwei Wochen erfahren hatte. Fünfzig Schüsse pro Minute aus jedem Rohr. Das mittlere Geschütz des Gefechtsturms Nr. 2 war beschädigt, und so konnte der Kreuzer verläßlicherweise bloß vierhundert Schüsse pro Minute aufs Ziel abgeben, doch das entsprach schon einer Hunderttausend-Pfund-Bombe. Die Aufgabe des Kreuzers für den nächsten Einsatz, wurde der Kapitän unterrichtet, sollte dem Angriff auf ausgewählte Flugabwehrbatterien an der vietnamesischen Küste gelten. Dagegen hatte er nichts, obwohl er sich insgeheim danach sehnte,
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