01 - Gnadenlos
Übung, bis auch der letzte Soldat seine Stellungswechsel kannte. Die Männer, die in den Gefängnisblock eindringen sollten, mußten nur drei Meter neben dem Kugelregen aus einer M-60 herlaufen - zum allgemeinen Mißfallen ließen die örtlichen Gegebenheiten des Gefangenenlagers keine andere Möglichkeit zu. Dies war der gefährlichste Teil des eigentlichen Angriffs. Doch gegen Ende der Woche war die Mannschaft von BOXWOOD GREEN schließlich so gründlich trainiert, wie es nur irgend möglich war. Das wußten sie, und das wußten auch ihre Flaggoffiziere. Das nachfolgende Training wurde zwar nicht milder, doch auch nicht schwerer gestaltet, damit die Männer nicht übertrainiert wurden und aufgrund der Routine in ihrer Konzentration nachließen. Nun fehlte nur noch die letzte Phase der Vorbereitungen. Im Verlauf der Übungen legten die Männer immer wieder eine Pause ein und machten kleinere Verbesserungsvorschläge. Gute Einfälle wurden sogleich an einen der dienstälteren Unteroffiziere oder an Captain Albie weitergeleitet und nicht selten in den Plan eingebaut. Dies war fester Bestandteil einer Mission, denn jedes Teammitglied sollte das Gefühl erhalten, das Vorgehen bis zu einem gewissen Ausmaß mit beeinflussen zu können. Dadurch gewannen sie Selbstvertrauen, und zwar nicht etwa dieses Draufgängertum, das Elitetruppen so oft zugeschrieben wird, sondern ein riefergehendes und damit weitaus bedeutsameres professionelles Urteilsvermögen, das sie einsetzten, um ihre Vorgehensweise zu beurteilen, neu abzustimmen, zu ändern, bis alles bis ins kleinste Detail stimmte - und dann schalteten sie es ab.
Erstaunlicherweise waren sie in ihrer Freizeit jetzt weitaus entspannter als früher. Sie kannten ihre Mission, und die unter jungen Männern üblichen Frotzeleien waren verstummt. Sie sahen fern, lasen Zeitungen oder Bücher und warteten auf ihren Einsatzbefehl. Sie wußten, daß es auf der anderen Seite der Erdkugel Männer gab, die ebenfalls warteten, und insgeheim beschäftigten sich die fünfundzwanzig Soldaten mit den gleichen Fragen. Würde es klappen oder schiefgehen? Wenn es klappte, konnten sie sich stolz auf die Schulter klopfen. Ging es aber schief - nun, sie waren bereits zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Sache durchgezogen werden mußte, egal ob sie nun gut oder schlecht ausging. Diese Männer mußten zu ihren Frauen zurückgebracht werden, Väter zu ihren Kindern, Männer zurück in ihr Vaterland. Eins wußten sie alle: Wenn sie schon ihr Leben riskierten, dann war jetzt der richtige Zeitpunkt und der richtige Anlaß dafür.
Auf Sergeant Irvins Betreiben hin stießen Militärpfarrer zu der Gruppe. Einige Männer erleichterten ihr Gewissen. Andere setzten ihr Testament auf - nur für den Fall der Fälle, wie sie peinlich berührt den inspizierenden Offizieren erklärten. Unterdessen stellten sich die Marines innerlich immer mehr auf ihre Mission ein; sie verdrängten überflüssige Sorgen aus dem Bewußtsein und konzentrierten sich auf eine Aktion, die mit einem willkürlich aus zwei Listen ausgesuchten Codenamen bezeichnet wurde. Einzeln schlenderten sie über das Übungsgelände und überprüften Standorte und Winkel, nahmen sich den nächsten Trainingskollegen, übten den Sturmangriff oder suchten sich Schleichwege, die sie einschlagen wollten, sobald das Schießen begann. Sie nahmen ihr persönliches Trainingsprogramm wieder auf und liefen ein oder zwei Meilen zusätzlich zu den Übungen am Morgen oder am Nachmittag, denn es galt, nicht nur Spannungen abzubauen, sondern auch hundertprozentig sicherzustellen, daß sie fit waren. Ein geübter Beobachter konnte es an ihrem Blick erkennen: ernst, aber nicht angespannt, konzentriert, aber nicht verbissen, zuversichtlich, aber nicht überheblich. Die anderen Marines auf Quantico gingen auf Abstand, wenn sie das Team sahen; sie wunderten sich über den abgesonderten Trainingsplatz und den seltsamen Tagesplan, wunderten sich über die Cobras und über die Rettungspiloten der Navy im Quartier. Doch ein Blick auf die Einheit im Fichtenwald brachte die Fragen zum Schweigen, betonte den Abstand. Da war irgendwas Besonderes im Gange.
»Danke, Roger«, sagte Bob Ritter in der Abgeschiedenheit seines Büros in Langley. Er drückte auf einen Knopf an seinem Telefon und wählte eine Nummer in der Hausleitung. »James? Hier ist Bob. Wir haben grünes Licht. Du kannst den Startknopf drücken.«
»Danke, James.« Dutch Maxwell schwang sich in seinem Drehstuhl
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