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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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rechnete damit, daß es noch eine Weile dauern würde, bis CASSIUS irgend etwas wirklich Bedeutendes ablieferte.
    Raymond Brown verließ die medizinische Fakultät der Universität Pittsburgh und mußte sich bemühen, nach dem ersten Besuch bei Dr. Bryant nicht vor Wut zu zittern. Eigentlich war alles ganz gut gegangen. Doris hatte über den Großteil der Ereignisse der vergangenen drei Jahre mit offener, wenn auch brüchiger Stimme Bericht erstattet, und während der ganzen Zeit hatte er ihre Hand gehalten, um sie körperlich wie moralisch zu stärken. Raymond Brown gab sich eigentlich selbst die Schuld für alles, was seiner Tochter widerfahren war. Wenn er sich an jenem Freitagabend vor so langer Zeit doch nur beherrscht hatte - aber das hatte er nicht. Es war nun mal geschehen. Er konnte nichts mehr ändern. Damals war er ein anderer Mensch gewesen. Jetzt war er älter und weiser, und so zügelte er seinen Zorn auf dem Weg zum Auto. Es ging um die Zukunft, nicht die Vergangenheit. Die Psychiaterin hatte ihm das mehr als deutlich zu verstehen gegeben. Er war entschlossen, sich ihrer Führung vollkommen anzuvertrauen.
    Vater und Tochter aßen in einem ruhigen Familienrestaurant zu Abend - er hatte nie gut kochen gelernt - und sprachen über ihre Nachbarn und darüber, welche von Doris' Jugendfreundinnen inzwischen was tat. Es war ein zaghafter Versuch, Versäumtes nachzuholen. Raymond sprach ruhig und schärfte sich immer wieder ein, viel zu lächeln und das Reden zum Großteil Doris zu überlassen. Ab und zu stockte ihre Stimme, und auf ihrem Gesicht erschien wieder dieser verletzte Ausdruck. Das war das Zeichen für ihn, das Thema zu wechseln, ihr etwas Nettes über ihr Aussehen zu sagen, vielleicht noch eine Anekdote aus der Arbeit zu erzählen. Vor allem mußte er stark und zuverlässig für sie sein. Während der eineinhalbstündigen ersten Sitzung mit der Ärztin hatte er erfahren, daß die Dinge, die er drei Jahre lang befürchtet hatte, tatsächlich eingetreten waren, und er wußte auch irgendwie, daß andere, noch unausgesprochene Dinge sogar schlimmer gewesen waren. Er würde noch unentdeckte Kraftquellen anzapfen müssen, um seinen Zorn zurückzuhalten, aber sein kleines Mädchen brauchte in ihm einen – einen Fels in der Brandung, sagte er sich. Einen großen, festen Felsen, an dem sie sich festhalten konnte, so sicher wie die Hügel, auf die seine Stadt gebaut war. Sie brauchte auch noch etwas anderes. Sie mußte wieder zu Gott finden. Die Ärztin hatte ihm in diesen Punkt beigepflichtet, und Ray Brown schwor sich, mit Hilfe seines Pastors dafür zu sorgen, während er seinem kleinen Mädchen unverwandt in die Augen blickte.
    Es war gut, wieder zu arbeiten. Sandys Abwesenheit war von Sam Rosen als Sonderverpflichtung deklariert worden, was aufgrund seines Rangs als Leiter der Abteilung ungefragt durchgehen würde. Die frisch operierten Patienten setzten sich wie üblich aus schwereren und leichteren Fällen zusammen. Sandys Team organisierte und beaufsichtigte die Pflege. Zwei ihrer Kolleginnen stellten ein paar Fragen nach ihrer Abwesenheit. Sie gab ihnen lediglich zu verstehen, sie habe für Dr. Rosen an einem speziellen Forschungsprojekt gearbeitet, und das genügte völlig, vor allem bei einer vollbelegten Krankenstation, die sie alle auf Trab hielt. Die anderen Mitglieder der Schwesterngruppe sahen, daß sie ein wenig zerstreut war. Von Zeit zu Zeit stahl sich ein abwesender Blick in ihre Augen, sie schien mit den Gedanken woanders zu sein. Wo, wußten die anderen nicht. Vielleicht ein Mann, hofften sie alle. Doch erst einmal waren sie froh, ihre Gruppenleiterin wieder bei sich zu haben. Sandy konnte mit den Chirurgen besser als alle anderen umgehen, und da sie Professor Rosen auf ihrer Seite hatte, ging ihr die Arbeit flott von der Hand.
    »Hast du denn schon Ersatz für Billy und Rick?« fragte Morello.
    »Das wird noch eine Weile brauchen, Eddie«, erwiderte Henry. »Diese Sache wird unsere Lieferungen durcheinanderbringen.«
    »Ach Quatsch! Du hast das alles zu kompliziert aufgezogen.«
    »Halt dich da raus, Eddie«, meinte Tony Piaggi. »Bei Henry läuft alles wie am Schnürchen. Die Sache ist sicher und funktioniert... «
    »... und sie ist zu kompliziert. Wer wird sich jetzt um Philadelphia kümmern?« wollte Morello wissen.
    »Da sind wir gerade dran«, antwortete Tony.
    »Du brauchst doch bloß den Stoff abzustoßen und das Geld einzusacken, Herrgott noch mal! Die werden schon keinen

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