01 - Gnadenlos
haben erst kürzlich ihr Telefonsystem bearbeitet«, erklärte Podulski. »Jetzt benutzen sie wieder mehr den Funk.«
»Schlau«, bemerkte Kelly. »Ist vom Zielobjekt etwas gekommen?«
»Einiges, und in der letzten Nacht etwas auf russisch.«
»Das ist der Fingerzeig, der uns noch gefehlt hat!« erwiderte der Admiral sofort. Es konnte nur einen Grund geben, warum ein Russe in SENDER GREEN war. »Hoffentlich kriegen wir den Hurensohn.«
»Sir«, versprach Albie lächelnd, »wenn er dort ist, wird er erwischt.«
Wieder hatte sich das Verhalten geändert. Die Männer waren jetzt ausgeruht und nah am Ziel, und so wurden ihre Gedanken nicht länger von einer abstrakten Furcht beherrscht, sondern konzentrierten sich auf die nackten Tatsachen dessen, was vor ihnen lag. Sie hatten wieder Zuversicht gewonnen - mit Vorsicht und Bedenken vermengt, aber dafür hatten sie ja schließlich geübt. Nun dachten sie an die Dinge, die einfach klappen mußten.
Die letzten Aufnahmen waren inzwischen an Bord angekommen. Sie stammten von einer RA-5 Vigilante, die tief über mindestens drei Abschußstellen für Boden-Luft-Raketen gezischt war, um ihr Interesse an einem kleineren und geheimeren Ort zu vertuschen. Kelly hob die Vergrößerungen hoch.
»Es sind immer noch Leute auf den Wachtürmen.«
»Die bewachen etwas«, pflichtete Albie bei.
»Also keine erkennbaren Veränderungen«, fuhr Kelly fort. »Nur ein Wagen, keine LKWs... nichts Auffälliges in der unmittelbaren Umgebung. Meine Herren, für mich sieht das alles ganz normal aus.«
»Connie wird vierzig Meilen vor der Küste Position beziehen. Das Medizinerteam geht heute an Bord. Das Kommandoteam trifft morgen ein, und übermorgen... « Franks blickte einmal über den Tisch hinweg.
»... gehe ich schwimmen«, sagte Kelly.
Die unentwickelte Filmspule befand sich im Bürosafe eines Abteilungsleiters der KGB-Anlaufsteile in Washington, die wiederum zur sowjetischen Botschaft in der 16th Street gehörte und nur ein paar Blocks vom Weißen Haus entfernt stand. Das palastähnliche frühere Heim von George Mortimer Pullman - von der Regierung Zar Nikolaus' II. erworben - beherbergte sowohl den Zweitältesten Aufzug als auch das größte Spionagenest der Stadt. Das umfangreiche Material, das von über hundert erfahrenen Feldoffizieren herbeigeschafft wurde, konnte an Ort und Stelle gar nicht vollständig bearbeitet werden, und Hauptmann Jegorow nahm eine so untergeordnete Position ein, daß sein Sektionschef seine Informationen gar nicht der Überprüfung für wert befand. So wanderte die Spule schließlich in einen braunen Umschlag und gelangte in die umfangreiche Leinwandtasche eines diplomatischen Kuriers, der ein Flugzeug nach Paris bestieg. Bei der Air France durfte er erster Klasse fliegen. In Orly stieg der Kurier acht Stunden später um in eine Aeroflot-Düsenmaschine nach Moskau. Während des Flugs entspann sich eine dreieinhalbstündige angeregte Unterhaltung mit einem Sicherheitsoffizier des KGB, der für diesen Teil der Reise sein offizieller Begleiter war. Über seine offiziellen Pflichten hinaus kam der Kurier selbst gut weg, da er auf seinen regelmäßigen Westflügen zahlreiche Konsumgüter erwerben konnte. Das Objekt der Begierde waren diesmal Strumpfhosen, wovon zwei Packungen in den Besitz des KGB-Begleitoffiziers überwechselten.
Nach der Ankunft in Moskau und dem Passieren der Zollkontrolle brachte ihn ein bereitgestellter Wagen in die Innenstadt, wo der erste Halt nicht beim Außenministerium stattfand, sondern am KGB-Hauptquartier am Dserdschinsky-Platz Nr. 2. Mehr als die Hälfte des Inhalts der Diplomatentasche wurde dort übergeben, was auch für den größten Teil der flachen Strumpfhosenpackungen galt. Binnen weiterer zwei Stunden erreichte der Kurier seine Wohnung, wo eine Flasche Wodka und sein ersehntes Bett auf ihn warteten.
Die Filmspule landete auf dem Schreibtisch eines KGBMajors. Der Herkunftszettel sagte ihm, von welchem Außenposten sie kam, und der Verwaltungsoffizier füllte ein Formular aus und rief dann einen Untergebenen zu sich, um sie zum Entwickeln ins Fotolabor zu bringen. Das Labor hatte trotz seiner Größe sehr viel Arbeit und er würde einen Tag warten müssen, vielleicht sogar zwei, sagte der Leutnant seinem Offizier, als er wieder zurückkam. Der Major nickte. Jegorow war ein neuer, aber vielversprechender Feldoffizier und gerade dabei, einen Agenten aufzubauen, der interessante Verbindungen zur Legislative besaß, aber man
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