01 - Gnadenlos
Isobarenkarte und das letzte Satellitenfoto.
»Morgen wird es Schauer geben, und wir können in den nächsten vier Tagen immer wieder Regen erwarten. Ziemlich heftigen sogar. Das wird so bleiben, bis dieses nur langsam vorankommende Tief in den Norden nach China abgezogen ist«, sagte ihnen der Militärmeteorologe.
Alle Offiziere waren anwesend. Die vier Flugbesatzungen, die dem Unternehmen zugeteilt waren, prüften diesen Bericht in aller Nüchternheit. Es war kein ausgesprochenes Vergnügen, einen Helikopter bei schlechtem Werter zu fliegen, und kein Flieger war besonders angetan von verringerter Sicht. Aber Regenfälle würden auch den Motorenlärm dämpfen, und verringerte Sicht wiederum wirkte sich auch für beide Seiten aus. Leichte Flugabwehrgeschütze bildeten die größte Gefahr. Mit ihnen wurde auf Sicht gezielt, und so bot alles, was die Schützen daran hinderte, die Flieger zu hören oder zu sehen, Sicherheit.
»Windstärke?« fragte ein Cobra-Pilot.
»Schlimmstenfalls Böen mit fünfunddreißig bis vierzig Knoten. Es wird in der Luft etwas ruppig werden, Sir.«
»Unser Hauptsuchradar ist für die Wetterbeobachtung gut geeignet. Wir können Sie um das Schlimmste herumdirigieren«, bot Kapitän Franks an. Die Piloten nickten.
»Mr. Clark?« ließ sich Admiral Greer vernehmen.
»Regen erscheint mir günstig. Das einzige, woran sie mich auf dem Hinweg entdecken könnten, sind die Blasen, die zur Oberfläche des Flusses aufsteigen. Bei Regen geht das nicht mehr. Ich könnte dann sogar bei Tageslicht vorstoßen, wenn es sein muß.« Kelly verstummte, denn er wußte, daß jedes weitere Wort ihn gleich unwiderruflich verpflich ten würde. »Wartet die Skate schon auf mich?«
»Es bedarf nur noch unserer Befehle«, antwortete Maxwell. »Dann kann ich von meiner Seite grünes Licht geben, Sir.«
Kelly spürte, wie es ihn kalt überrieselte. Sein ganzer Körper schien sich zusammenzuziehen, so daß er sich irgendwie kleiner vorkam. Aber nun hatte er das entscheidende Wort gesagt.
Aller Augen wandten sich Captain Albie zu. Ein Vizeadmiral, zwei Konteradmiräle und ein aufstrebender Feldoffizier des CIA waren nun von diesem jungen Marineangehörigen abhängig, der die letzte Entscheidung zu fällen hatte. Er würde den Haupttrupp hinbringen. Er trug letztlich die Verantwortung für das Unternehmen. Dem jungen Captain kam es schon sehr sonderbar vor, daß sieben Sterne auf sein Kommando zum Einsatz angewiesen waren, aber das Leben von fünfundzwanzig Marines und vielleicht noch zwanzig weiteren hochrangigen Soldaten hing von seiner Entscheidung ab. Ihm oblag die Führung dieser Mission, und beim erstenmal mußte alles haargenau passen. Er blickte zu Kelly hinüber und lächelte.
»Mr. Clark, Sir, seien Sie äußerst vorsichtig. Ich denke, es ist Zeit, daß Sie jetzt schwimmen gehen. Ich gebe diesem Unternehmen grünes Licht.«
Es kam keine Freude auf. Tatsächlich blickte jeder Mann am Kartentisch auf die Landkarten und versuchte, die zweidimensionalen Linien auf dem Papier in dreidimensionale Realität zu verwandeln. Dann hoben sich die Köpfe beinahe gleichzeitig, und jedes Augenpaar versuchte, die Blicke der anderen zu lesen. Maxwell richtete als erster das Wort an einen Angehörigen der Hubschrauberbesatzungen.
»Ich schätze, Sie sollten Ihren Heli schon mal warmlaufen lassen.« Maxwell drehte sich um. »Kapitän Franks, würden Sie Skate ein Zeichen geben?« Ein knappes »Aye aye, Sir« kam als Erwiderung. Die Männer strafften sich und entfernten sich von den Karten und dem Ort der Entscheidung.
Jetzt ist es zu spät, alles noch einmal durchzudenken, sagte sich Kelly. Er schob seine Angst, so gut er konnte, beiseite und stellte sich geistig auf zwanzig gefangene Amerikaner ein. Es war schon seltsam, daß er sein Leben für Menschen aufs Spiel setzte, die er nie kennengelernt hatte, aber andererseits war Handeln unter Lebensgefahr nie rational. Sein Vater hatte sein ganzes Leben damit zugebracht und war unmittelbar nach der erfolgreichen Rettung von zwei Kindern gestorben. Wenn ich auf meinen Dad stolz sein kann, sagte er sich, dann kann ich ihn am besten auf diese Art ehren.
Du schaffst es, Mann. Du weißt genau, wie. Er spürte, wie seine Entschlossenheit wuchs. Alle Entscheidungen waren getroffen. Jetzt galt es zu handeln. Kelly trug eine steinerne Miene zur Schau. Er durfte keine Angst mehr vor den Gefahren haben; er mußte ihnen ins Auge sehen. Sie meistern.
Weitere Kostenlose Bücher