01 - Gnadenlos
zählen. Gruppen hoben Löcher für MG-Nester aus. Im Wald schwärmten Spähtrupps aus. Das bedeutete unmittelbare Gefahr für ihn, aber er wartete dennoch. Er mußte sicher sein, daß er richtig entschieden hatte, daß er nicht in Panik reagiert hatte, nicht auf einmal zum Feigling geworden war. Fünfundzwanzig gegen fünfzig wäre nicht schwer, wenn sie nach Plan vorgingen und das Überraschungsmoment ausnutzten. Fünfundzwanzig gegen hundert, ohne Überraschung... aussichtslos. Er hatte richtig entschieden. Es war unvernünftig, fünfundzwanzig weitere Leichen auf die Totenliste zu setzen, die in Washington geführt wurde. Mit so einem Fehler oder dem Verlust so vieler Leben konnte er sein Gewissen nicht belasten.
»Die Helikopter kommen zurück, Sir, auf dem gleichen Weg, wie sie hingeflogen sind«, sagte der Radartechniker dem stellvertretenden Kommandanten.
»Zu schnell«, sagte der Stellvertreter.
»Verdammt noch mal, Dutch! Also was... «
»Das Unternehmen ist abgeblasen, Cas«, sagte Maxwell, während er vor sich auf den Kartentisch starrte.
»Aber warum bloß?«
»Weil Mr. Clark es gesagt hat«, antwortete Ritter. »Er ist das Auge, er sitzt am Funkgerät. Das muß Ihnen doch nicht extra gesagt werden, Admiral. Wir haben diesen Mann noch dort sitzen, meine Herren. Das dürfen wir nicht ver gessen.«
»Wir haben ganze zwanzig Männer dort.«
»Stimmt Sir, aber heute nacht kommt nur einer raus.«
Und das auch nur, wenn wir Glück haben.
Maxwell blickte zu Kapitän Franks auf. »Nehmen Sie Kurs auf den Strand, so schnell Sie können.«
»Ja, Sir.«
»Hanoi? Warum?«
»So lauten die Befehle.« Vinh schaute auf den Marschbefehl, den der Hauptmann ihm übergeben hatte. »Die Amerikaner wollen hierherkommen. Sollen sie doch! Das wird kein zweites Song Tay werden!«
Die Vorstellung eines Infanterieeinsatzes bereitete Oberst Grischanow nicht gerade Freude, und ein Ausflug nach Hanoi, selbst ein unangekündigter, versprach auch einen Besuch in der Botschaft. »Lassen Sie mich packen, Major.« »Aber machen Sie schnell!« schnarrte der kleine Mann, der sich fragte, ob diese Fahrt nach Hanoi wegen irgendeiner Verfehlung angeordnet worden war.
Es könnte schlimmer sein. Grischanow hatte seine Aufzeichnungen nun alle beisammen und steckte sie in den Rucksack. Seine ganze Arbeit, die Vinh ihm netterweise wieder ausgehändigt hatte. Er würde sie bei General Rokossowskij abliefern, und wenn sie erst in offiziellen Händen war, konnte er sich dafür einsetzen, daß die Amerikaner am Leben gelassen wurden. Des einen Unglück ist des anderen Glück.
Grischanow liebte Sprichworte.
Er konnte sie kommen hören. Sie waren noch weit weg und bewegten sich ziemlich ungeschickt wahrscheinlich waren sie müde. Aber sie rückten näher.
»SCHLANGE an GRILLE, over.«
»Wir hören Sie, SCHLANGE.«
»Ich mache mich auf den Weg. Auf meinem Hügel sind Leute, die auf mich zukommen. Ich entferne mich nach Westen. Können Sie mir einen Hubschrauber schicken?«
»Geht in Ordnung. Passen Sie auf sich auf, mein Sohn.«
Das war Maxwells Stimme, voll Besorgnis.
»Ich setze mich in Bewegung. Ende.« Kelly steckte das Funkgerät ein und ging auf den Hügelrücken zu. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich noch einmal umzusehen, und verglich, was er jetzt sah, mit dem, was er vorher gesehen hatte.
Im Dunkeln renne ich besonders schnell, hatte er den Marines gesagt. Jetzt war die Zeit gekommen, es zu beweisen. Nach einem letzten Horchen auf die näher rückenden NVA-Soldaten suchte sich Kelly eine Stelle, wo das Unterholz nicht so dicht war, und rannte den Hügel hinunter.
30 Agenten auf Reisen
Es war allen klar, daß etwas nicht in Ordnung war. Kaum eine Stunde nach ihrem Abflug landeten die beiden Rettungshubschrauber wieder auf der Ogden. Einer wurde sofort weggeschoben. Der andere, in dem der erfahrenere Pilot saß, wurde aufgetankt. Captain Albie sprang noch während des Aufsetzens heraus und sprintete zu den Deckaufbauten, wo die Kommandogruppe auf ihn wartete. Er spürte förmlich, daß die Ogden und ihre Eskorte auf den Strand zurauschten. Seine niedergeschlagenen Marinesoldaten stiefelten schweigend und gesenkten Blickes heraus und legten ihre Waffen ab.
»Was ist passiert?« fragte Albie.
»Clark hat alles abgeblasen. Wir wissen lediglich, daß er von dem Hügel weg ist, weil dort Leute waren. Wir werden ihn rauszuholen versuchen. Wo, denken Sie, wird er sich hinwenden?« fragte
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